Vom Frühstückstisch aus bietet sich eine überwältigende Aussicht über den Vashlovani Nationalpark. Hinter den Bergen schimmert blau der Mingachevir See, dort liegt Azerbaidjan.
Ein guter Platz um eine Fahrpause einzulegen, wir bleiben heute hier in der Ranger Station stehen. Nicht nur, um auszuruhen, sondern auch um den Auspuff wieder zu reparieren. Die Hühnersuppendose hält nicht mehr.
Aus mehreren kleinen Schlauchschellen bastelt Martin die passende Schellengröße.
Eine große, leere Tomatenmarkdose wird aufgeflext.
Der alte Verband wird vom Auspuff gelöst. Mehr als 570 Kilometer, die meisten davon auf ruppiger Geländepiste, hat die Suppendose den Belastungen standgehalten! Chapeau!
Kurz darauf leuchtet der neue Verband hellrot unter der Rappelkiste. Martin begutachtet sein Werk: sieht gut aus!
Und wo wir gerade dabei sind, wird das Fahrerhaus gekippt und nachgeschaut, ob immer noch Flüssigkeit verloren geht.
Nein, alles trocken! Das Leck ist gefunden und geschlossen!
Eine geführte Tourgruppe trifft im Camp ein und veranstaltet am großen Grill ein ausgelassenes Mittagsbarbecue.
Unser Essen ist auch schon vorbereitet und steht für später im Kühlschrank. Jetzt ist Schluss mit Arbeit, wir kommen zum gemütlichen Teil. Lesen, dösen, es ist sommerlich heiß. Dagegen hilft ein Glas kühler Tsinandali Weißwein und der Rappelkistenschatten.
Nach der Tageshitze findet man 23 Grad am Abend schon kühl…
Mehrere VW T3 zuckeln auf das Camp Gelände und parken neben uns.
Der T3 Club Tiflis, wie Martin von Hermann erfährt, einem jungen Deutschen, der mit von der Partie ist.
Es ist Wochenende und die Ranger haben Familienbesuch. Ein großes Feuer lodert am Grillplatz, es wird gefeiert, Kinder tollen herum, Unmengen von Essen werden gegrillt und vertilgt. Der T3 Club rückt nochmal aus zum „special Sonnenuntergangsplatz“. Ein blauer Tankwagen rollt auf das Gelände.
„Need some water?“ ruft der Ranger zu uns rüber. Nein, danke, wir haben noch genug.
Es ist total schön hier oben bei der Ranger Station….man könnte gerne länger bleiben…..
Mittags am nächsten Tag fahren wir weiter. 7 Nächte gebucht, 2 sind schon um und es gibt soooo viel zu entdecken in Vashlovani.
Oben auf dem Bergkamm führt uns die Piste ostwärts, immer entlang der Abbruchkante. 16 Kilometer entfernt soll sich das nächste Visitor Camp befinden, mitten in der Einsamkeit.
Über dem Hohen Kaukasus schweben weiße Wölkchen, leichter Wind lässt die Gräser silbern glänzen.
Die Piste biegt scharf rechts ab, es geht hinunter ins Tal.
Zweige streifen über die Rappelkiste, ein lange nicht gehörtes Geräusch.
Der Boden ist trocken, die Piste staubig. Einmal rutscht die Rappelkiste auf dem weichsandigen Untergrund kurz zur Seite weg.
Vereinzelte Bäume, Wacholder und wilde Pistazien. Ihre Blüten sehen aus wie Apfelblüten und geben dem Park seinen Namen. Vashlis baghi bedeutet Apfelgarten.
Vereinzelt steht ein Bauernhaus, die Tiere suchen sich frei ihre Wege.
Es ist sehr heiß heute, jeder schattenspendende Baum ist höchst willkommen.
Die Piste verzweigt sich wieder, nicht immer ganz einfach, gleich den richtigen Weg zu finden. Am Ende einer Wiese geht es schräg hinunter in ein trockenes Flussbett.
Na? Macht´s Spaß?
Ja!
Wieder ein Bauernhof, nicht weit davon entfernt liegt ein bleicher Pferdeschädel auf dem Boden, mit einem gewaltigen Loch in der Stirn. Sieht eingeschlagen aus. Verstreut finden sich noch ein paar Knochen.
Die bleichen Knochen, ein steiniges Flussbett, Erinnerungen an Marokko werden wach. Steine und Sand….
Hohe Felsen versperren den Blick, irgendwo davor soll sich das nächste Ranger Camp befinden. Wir halten auf die Berge zu und poltern bald darauf auf den Hof des Visitor Camps.
Eine Stunde haben wir für die 16 Kilometer gebraucht. Mit Pause. Dieses Camp ist ganz auf Touristen eingestellt. Zwei Ranger betreuen die hübschen Steinbungalows, in denen man sich einmieten kann. Vor einem der Häuser treffen wir die Entomologen wieder. Völlig übermüdet. „Bis 5 Uhr morgens haben wir Insekten eingefangen.“ Durchaus erfolgreich versichert man uns. Wir fragen, wo wir uns hinstellen können. Der Wissenschaftler übersetzt für uns ins russische. Den ehemaligen Campingplatz gibt es nicht mehr, aber wir können uns gerne hinstellen, wo es uns gefällt. Es gibt kein Wasser, werden wir eindringlich gewarnt. Das wäre egal, haben wir genug dabei. Aber eignetlich ist es uns zu früh für Feierabend, wir haben beide noch viel mehr Lust weiterzufahren. Vielleicht noch bis zum Pantishara Canyon. „Da fahren wir heute auch hin“ sagt der Entomologe, na, dann bis später!
Hinein in den weichen Sand des nächsten Flussbetts, an hohen Felswänden entlang. Das Gestein ist komplett durchlöchert, die Behausung einer Bienenfresserkolonie.
Zwei der bunt schillernden Vögel bekommen wir vor die Kamera.
Nach einer halben Stunde Fahrt halten wir vor einem Kontrollposten.
Ein Grenzsoldat verlangt Pässe und Permit. Er liest es sehr aufmerksam durch. „Wohin?“ „Bear Canyon, Pantishara.“ „Nicht Mijniskure?“ „Nein.“ Das hatte der Ranger im Visitor Center nicht genehmigt. „Sicher nicht?“ Martin steigt aus und zeigt unsere geplante Route. „Okay.“
Wir dürfen passieren.
Vor uns liegt eine atemberaubende Savannenlandschaft, es geht von einem Flussbett ins nächste, steil hinunter und hinauf, weicher Sand erhöht die Spannung. Eine Traumstrecke! Wir sind hellauf begeistert!
Kein Schatten, boah, ist das heiß….gleichzeitig wird deutlich, warum man nach Regen die Pisten nicht befahren soll. Es wäre eine einzige Rutschbahn.
Durch ein Felsentor öffnet sich ein fantastischer Blick auf die Tiefebene. Weit hinten in der Ferne schimmert das Dach des zweiten Kontrollpunkts.
Eine Ebene, auf beiden Seiten flaches Land bis zu den Bergen, hier flimmert die Luft….
Fühlt sich an wie im wilden Westen, nördlich liegen die „Badlands“, es fehlt nur noch „Tumble weed“, so ein rollender Strohball….
Eben noch kahl und flach, wird es schon wieder hügelig. Noch mehr trockene Flüsse sind zu durchfahren. Der Boden ist sehr weich, Fesch Fesch. Das kennen wir aus Marokko. Mehr Staub als Sand.
Die Fahrspuren sehen okay aus, in letzter Zeit hat sich hier niemand festgefahren. Also los – durch!
Kurzer Halt am zweiten Kontrollpunkt, der Soldat überprüft das Permit, okay, wir können weiter.
Rings um uns hohe Berge und Felsen
Die Flüsse sind nicht immer so trocken, wie die Spuren zeigen.
Na? Macht´s immer noch Spaß?
Und wie!!
Ein Riesenvergnügen!
Tief eingesunkene Fahrspuren warnen vor dem weichen Boden, da sieht man gleich, welchen Weg man nicht probieren sollte.
Plötzlich verändert sich die Landschaft radikal. Wir sind in der Eldari Tiefebene angekommen.
Im Süden liegt das azerbaidjanische Burunqovaq, direkt hinter der Grenze.
Es ist so heiß, jeder kleine Luftzug durchs offene Fenster ist willkommen. Topfebenes Land, im Sommer muss die Hitze schier unerträglich sein.
Einzelne Farmen. Verlassen, vermutlich sind das die Winterquartiere der Wanderhirten. Die Rappelkiste wirbelt Staubwolken auf.
Da hinten bewegt sich was, ein Tier….was ist das? Sieht aus wie ein Reh….nein, eine Gazelle! Tatsächlich!!
Irgendwo zwischen den Bergen muß die Zufahrt zur Pantishara Schlucht sein.
In einem breiten Flussbett endet die Strecke. Die Schlucht liegt nördlich von uns, also nach rechts.
Was für ein Gerüttel! Die Rappelkiste schwankt hin und her, die Sonne brennt unbarmherzig auf uns nieder, unser Ipad überhitzt hinter der Frontscheibe und bekommt eine Markise.
Wir brauchen alle mal `ne Pause.
Tiefe Rinnen, alte Fahrspuren, Auswaschungen, grobe Kiesel, das alles schüttelt uns mächtig durch…
Hoch oben im Fels ein dunkles Rechteck, ein Höhleneingang. Wir rütteln weiter….der Nacken schmerzt…..
Endlich! Das sieht aus wie eine Schluchteinfahrt
Rechts taucht ein Abzweig auf, links eine Wanderhütte, dann endet die Piste.
Wir gehen ein paar Meter hinein in die Schlucht. Zu eng für die Rappelkiste. Aber weiter vorne finden wir einen schönen Platz im Schatten.
Vor der Wanderhütte parkt ein schwarzer Kleintransporter, die Entomologen. Sie bereiten gerade alles für die nächtliche Jagd auf Insekten vor. Wir genießen den kühlen Schatten und starten die Flugkamera.
Winzig klein steht die Rappelkiste zwischen den Felsen.
Ein ziemlich anstrengender, aber toller Tag liegt hinter uns. Die Vielfalt der Landschaft, durch die wir heute gefahren sind, begeistert uns. Angefangen auf dem Bergkamm, durch das Pistazienbaumtal, hinunter und hinauf durch unzählige Flussbetten, durch tiefen, weichen Sand – in die topfebene, kahle Steppe unter glühender Sonne, die letzten Kilometer auf dem Kiesbett, das uns gerührt und geschüttelt hat und nun diese Schlucht – das alles an einem Tag! Überwältigend!
Grillen zirpen, ein Kuckuck ruft, Nachtigallen stimmen ihren Gesang an, wir bleiben noch lange draußen und lauschen….
Liebe Grüße, bis bald!
Julia & Martin
Drink Positive!
Auf Instagram: rappelkisteberlin
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