Morgennebel über dem Tigris. Eis auf dem Rappelkistendach. Die Sitzkissen der Picknicksofas am Ufer tiefgefroren.
Bei der Kälte draußen will man gar nicht raus aus dem warmen Federbett….
Ein weißer Reiher wartet geduldig im Fluß auf Frühstück. Ein scheuer Riesenhund schleicht über den Parkplatz, an seiner Seite tapst ein Welpe. Martin verfüttert unser letztes Brot….
Der Picknickplatzbetreiber spaziert vorbei und schenkt uns zwei Äpfel? Oder Quitten? Irgendwas dazwischen…
Wie wir später herausfinden ist es tatsächlich etwas dazwischen: Bardak – eine Apfelquitte.
Diyarbakir soll eine wunderschöne Altstadt haben. Wir überlegen kurz, ob wir in die Stadt fahren. Nein, diesmal nicht. Spiegel und Fenster sind geputzt, ab auf die E99 nach Osten.
Baumwolle und Getreide.
Hin und wieder ein verschlafenes Dorf
In Silvan zeigen uns große Holzhaufen, wo die nächste Bäckerei ist.
Gemüse brauchen wir auch. Ein etwa 8jähriger Junge hilft uns, das Gemüse abzuwiegen. Fröhlich flitzt er hin und her, lacht und freut sich. An der Kasse packt er alles für uns in Tüten. Als Martin ihm das Wechselgeld in die Hand drückt, sieht er uns freudig überrascht mit großen Augen an. „Tesekkürler!“ Danke!
Hinter diesen Bergen liegt Syrien, nur etwas über 100 Kilometer entfernt
Wir überqueren den Batman Cayi.
Männer schaufeln Getreide in große Säcke, Lkws werden bis auf die Ladeklappe beladen
Anderswo lässt man es gemütlicher angehen….die Männer winken uns rüber „Come! Have Çay!“
Auf beinahe jedem Hügel wacht eine Militärstation, alle paar Kilometer durchfahren wir eine Kontrollstation. An einer werden wir rausgewunken. Zwei Soldaten kommen, mit MG im Anschlag. Martin zückt Pässe und Fahrzeugpapiere.
„Hallo! Wie geht´s?“ heißt es auf deutsch, papiere wollen sie nicht sehen. Sein Cousin lebt in Düsseldorf. „Deutschland gut! Gutes Auto! Wohin? Oh, Iran?! Viel Glück, gute Fahrt!“ Die Soldaten wollten nur ein wenig plaudern…..
Kozluk heißt die nächste größere Stadt, sie wirkt einfach nur trostlos…..staubig und grau….kein grün, sogar die Kühe suchen ihr Futter im Müll.
Davon gibt es hier genug.
Wir düsen weiter, überqueren den Garzan Fluss. Seit 1956 wird in der Batman Provinz Öl gefördert, 1700 Barrel pro Tag.
Am Strassenrand liegen stapelweise Säcke mit Salzzum Verkauf. Statt Getreide wird Salz gewonnen aus kleinen, jetzt trockenen Salzfeldern.
Wo mag das Salz herkommen? Gibt es hier salzige Quellen? Oder einen salzhaltigen Fluss? Der Garzan liegt inzwischen schon viele Kilometer hinter uns….
Wir verlassen die Batman Provinz.
Hinter Ziyaret beginnt eine wunderbare Schlucht mit bunten Bergen
Mittendrin das quirlige Städtchen Baykan
anschließend weiter durch die bunten Felsen
bestens bewacht von unzähligen Militärposten…
Eine gewaltige Schnellstrasse wird irgendwann durch dieses schöne Tal führen. Angesichts der vielen Tanklaster aus Iran, die uns entgegenkommen, macht das auch Sinn.
Eine einsame Gegend, wenn überhaupt ein Dorf zu sehen ist, dann hat es höchstens 10 Häuser.
Dann taucht Bitlis auf, die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz. Abgelegen mitten in den Bergen. Im Vorbeifahren betrachtet ein verschlafenes Nest….
Hinter Bitlis sehen wir den ersten Wegweiser zum Iran.
Tatvan ist nicht mehr weit, diese Stadt platzt vor Energie! 80% der Landkreisbevölkerung lebt hier, da pulsiert das Großstadtleben! Das merkt man auch am Verkehr, viele viele Autos verstopfen die Strassen, im Stau kriechen wir durch die Stadt.
Ein paar Kilomter hinter Tatvan kommt der Van Gölü in Sicht. Der größte See der Türkei und der größte Sodasee der Erde.
Wir halten Ausschau nach einem Parkplatz, aber hier kommen wir nicht ans Ufer. Die Strasse zieht nochmal einen weiten Bogen ins Landesinnere
und es dauert noch eine Stunde, bis wir den See wiedersehen
Dann aber rumpeln wir schnell entschlossen von der Schnellstrasse runter über eine Schotterpiste auf eine Landzunge. Bei ein paar Felsen stellen wir den Motor ab. Feierabend am Van See. Klingt, als wären wir zuhause in Berlin…..
12°C , aber Sonne satt. Der Blick über den See – umwerfend!
Wir öffnen unsere letzte Flasche Crémant und schauen übers Wasser. Was für ein Blau!
Auf einer Insel steht ein Schloss, oder nein! Es ist eine armenische Kirche, lesen wir nach, das letzte Gebäude eines Klosters. Kleine Fähren tuckern hin und her.
Überall auf dem Boden glitzern Glasscherben. Auch auf den Felsen, in jeder Nische, allles voller Scherben.
Ein junges Pärchen macht ein Picknick am See und läßt seine Dosen und einen Müllsack liegen. Warum nur?
Als das letzte Sonnenlicht auf den Gipfel des Artos Dagi scheint, wirkt das wie ein Gemälde.
Mit langen Fingern verabschiedet sich die Sonne hinter den Bergen.
Sofort wird es eiskalt, aber das Licht st zu schön, um schon reinzugehen.
Lieber ziehen wir alle warmen Jacken an und bleiben noch draußen. In der Ferne, am anderen Ufer schimmert der 4000 Meter hohe Süphan Dagi im Dunst. 8050 v. Chr. ist er das letzte Mal ausgebrochen, ist ´ne Weile her…..
Die Gipfel des Artos Dagi färben sich rosa
Saukalt, der Van See liegt fast 2000 Meter hoch, da wird´s schon frostig. Aber wir harren noch aus….
dieses fantastische Farbenspiel können wir uns nicht entgehen lassen
Um 17:30 Uhr ist es dunkel und wir sind schön durchgefroren. Schluss für heute, wir gehen uns aufwärmen.
Gute Nacht!
Guten Morgen!
Im Osten glüht der Himmel. Die Möwen sind wach, schreien sich ihr „Guten Morgen“ zu und fliegen die ersten Runden über den Van See.
Eine Stunde später blinzelt die Sonne über die Bergspitzen
🎶“Schau dir mal den Himmel an, blau soweit man sehen kann“🎶 Der 70 Jahre alte Schlager von Conny Froboess summt uns den ganzen Tag im Kopf. 🎶“…und dann nüscht wie raus nach Van See“🎶
1966 Kilometer haben wir in den letzten 6 Tagen zurückgelegt. Die Kilometerschrubberei ist anstrengend. Wir gönnen uns einen Tag Fahrpause.
Nachmittags spaziert ein Mann vorbei, schenkt uns zwei Äpfel, sammelt Müll ein und macht damit ein Feuer.
Wir sortieren unsere Papiere für den Grenzübertritt in den Iran. Die Lage dort hat sich nicht verbessert, im Gegenteil. Seit Tagen diskutieren wir hin und her, ob wir einreisen sollen oder nicht. Unsere Freunde in Deutschland machen sich die größten Sorgen und versuchen eindringlich, uns davon abzubringen. Das belastet und verunsichert uns natürlich. Unsere Freunde im Iran haben sich mit anderen zusammengeschlossen und setzen ihre Reise mit einem Guide fort, als Reisegruppe.
Wir wären allein unterwegs. Das alles gibt uns viel zu denken. Doch am Ende des Tages bleiben wir dabei: wir fahren in den Iran und schauen vor Ort, wie wir uns dort fühlen.
Wieder genießen wir das unbeschreibliche Abendlicht über dem See
Morgen heißt es: Güle Güle Van Gölü! Aber eins ist sicher: wir würden gerne nochmal wiederkommen.
Bis bald, liebe Grüße!
Julia & Martin
Drink positive!
Auf Instagram: Rappelkisteberlin
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