Es regnet. Nicht nur ein paar Tröpfchen, sondern richtiger Regen. Eigentlich wollen wir heute runterfahren. Abwarten, wie glatt und rutschig der Boden wird. Vielleicht bleiben wir noch einen Tag länger als beabsichtigt.
Nicht nötig. Der Regen lässt nach, der Untergrund bleibt griffig, wir starten.
Richtig schön steil abwärts, der Boden kommt uns entgegen. Sieht von der Fahrerkabine betrachtet so aus, als setzen wir mit der Stoßstange auf. Nein, das kann nicht passieren…
Zehn Minuten später erreichen wir den Steilhang mit der Linkskurve, den wir gestern schon inspiziert haben. Noch mal ein Kontrollblick, steil und schmal, zwei tiefe Löcher.
Dürfte kein Problem sein.
Kriechgang, langsam runter……jetzt kommt die Kurve…
Kurve…
Kurve!!
Kurve!!!!
„Links! Links! Links!!““ rufe ich!
Martin reißt mit aller Kraft am Lenkrad
„Ich kann nicht lenken!“
Wir rollen vor zur Abgrundkante, hinter uns tönt die Hupe von Kurt. STOP!!
Was ist hier los?
“Lenkachse gebrochen“ ruft Mathias von hinten. Was?!
Wir steigen aus……
Es ist nicht die Lenkachse. Es ist die Spurstange. Total verbogen. Die Vorderräder grätschen auseinander, das rechte Vorderrad knickt nach innen.
Rappelkiste steht manövrierunfähig im Steilhang.
Katastrophe.
Wir sind entsetzt, ratlos, ungläubig. Das kann eigentlich nicht passieren…..wieso?!
Was machen wir jetzt?
Erstmal sichern und beruhigen……
Wir stehen echt beschissen…..
Eins ist klar: Kurt kann die Rappelkiste nicht allein hochziehen.
Eine Viertelstunde später hält ein 4×4 Wagen. Zwei junge Saudis, auf dem Weg zur Falkenjagd, fragen, wie sie helfen können.
Wir brauchen großes Gerät, einen Bagger oder etwas ähnliches, um die Rappelkiste hochzuziehen. Sie kennen jemanden, den man fragen könnte. Martin fährt mit ihnen los.
Nach einer Stunde kommen Martin und die Saudis zurück. Mit dabei ein Mann, der die Rappelkiste mit einem Dreiachser Rundhauber ziehen könnte. Er will es sich zuerst anschauen und winkt dann ab. Traut sich das Manöver nicht zu.
Aber kennt jemanden mit Bagger. Die Saudis fahren nach Judah, um den Bagger zu organisieren. Es ist Freitag, der arabische Sonntag….ob der Baggerfahrer heute noch rausfährt?
Wir brauchen Netz. Hier unten ist keins. Maren und Mathias fahren wieder aufs Plateau. Oben telefoniert Martin nach Hilfe.
ADAC Auslandsnotruf. Von Warteschleife zu Warteschleife. Auslandshilfe verweist auf Schadensregulierung verweist auf Auslandshilfe. Martin erklärt, daß wir nur die Logistik nutzen wollen. Um alles andere kümmern wir uns selber. „Kein Problem, das müsste möglich sein. Ich kläre das mit dem Notfallteam.“ Sehr freundlich, aber das war´s dann auch. Nach 15 Minuten Warteschleife müssen wir aufgeben, das Internetkontingent ist begrenzt und wir haben noch viele Telefonate vor uns. Der ADAC ruft nicht zurück.
Nächstes Gespräch mit Indutec in Österreich, einer Teilefirma. Martin schildert die Situation und fragt, ob sie eine passende Spurstange vorrätig haben. Der mißmutige Mitarbeiter hält daraufhin einen langen, uninteressanten Vortrag über Spurstangen. Und ohnehin ist jetzt Freitag, da machen sie sowieso nichts mehr. Und am Montag machen sie eh nur was, wenn das Geld auf dem Konto ist, muffelt er rum. Schönen Dank, nennt man das Hilfsbereitschaft in dieser Firma? Wenigstens freundlich könnte man sein….
Ein Defender hält. Felix kommt zufällig vorbei. Sofort aktiviert er die sozialen Kanäle um Hilfe zu organisieren. Das Internet glüht. Ein Kontakt aus Bahrain meldet sich. Er könnte einen Servicetruck der Dakar Rallye vorbeischicken. Dauert 2 Tage. Das ist ein tolles Angebot! Wenn alle Stricke vor Ort reißen, nehmen wir es gerne an. Mathias sendet einen Hilferuf in die Omanreisewhatsappgruppe. Die Leute, mit denen wir in Kuwait vor der Grenze standen, melden sich. Haben Schweißgeräte dabei und sind sowieso auf dem Weg zum Thumb. Sie kommen in 2 Tagen rauf. René meldet sich. Was wird gebraucht? fragt er. Als Martin die Situation geschildert hat, macht René sich auf die Suche nach einer passenden Spurstange. Martin schickt ihm eine Zeichnung mit den exakten Maßen.
All die Rückmeldungen machen uns Mut, das wird schon irgendwie werden…
Maren versorgt alle mit Tee, Broten, Süßigkeiten und aufmunternden Worten.
Um halb drei hören wir den Bagger! Da tuckert er durchs Tal!
Nie zuvor haben wir uns so über den Anblick eines Baggers gefreut!
Kurt kommt wieder runter, wird ziehen helfen und mit dem zweiten Gurt sichern. Lagebesprechung.
Alles vertäut? Dann geht´s los!
Ich bin sehr angespannt, habe Angst, daß die Seile reißen, der Steyr mit Martin am Steuer doch noch den Abhang runterstürzt…oder das die Rappelkiste umkippt…und Martin sitzt drin……
Die Abschleppseile straff gespannt, die beiden Fahrzeuge ziehen an. Zentimeter für Zentimeter rutscht die Rappelkiste bergan, das querstehende Rad schleift über den Boden, schiebt Geröll mit und wirkt wie ein Bremsklotz. Plötzlich legt sich die Kiste schwer nach links….Ein schriller Pfiff von Felix: STOP!
Ein Bodenloch auf der linken Seite, auf der rechten eine Schräge. Der Bagger und Kurt lassen langsam nach, Rappel rutscht wieder bergab. Alle schleppen Steine, um das Loch zu füllen, flachen mit Schaufeln die Schräge ab. Felix holt den Defender. Sichert mit der Seilwinde den Koffer und wird nach rechts ziehen. Hinter ihm sichern die Saudis mit ihrem Wagen.
Nächster Versuch – mit geballter Kraft. Der Bagger zieht, Kurt zieht und der Defender zieht
Langsaaaam, Stück für Stück….
Schwere Arbeit für Kurt und den Bagger…
es funktioniert!!!!!
Wir sind oben!!!! Auf den letzten Metern rutscht der Bagger durch, zieht jetzt nur noch die Schaufel nach hinten…….Geschafft!
Die Freude ist unbeschreiblich!
Die erste Hürde ist genommen!!!
Danke! Danke! Danke!
Abdullah und Abdullah haben ihren „Sonntag“ statt mit Falkenjagd mit Hilfe holen, schaufeln und Steine schleppen verbracht. „Dankeschön und ein schön Tag noch!“ sagen sie auf deutsch, als sie sich verabschieden. Das haben sie in Düsseldorf gelernt.
Erschöpft, erleichtert und glücklich wandern wir hoch aufs Plateau. Martin telefoniert mit Aigner Trucks. Sie haben die Versendelogistik und sind zu allem bereit. Michael Aigner telefoniert nach einer Spurstange. Es gibt die teure Variante von MAN, sofort lieferbar. Oder wieder Indutec, günstiger im Preis, aber frühestens in einer Woche lieferbar. Einfach keine gute Firma. Wir nehmen teuer und schnell.
Dem Servicetruck der Dakar Rallye sagen wir ab. Zum Glück brauchen wir ihn nicht.
Rappelkiste steht gerade, René sucht für uns eine Behelfsspurstange, die anderen bringen Schweißgeräte mit, Maren und Mathias ändern ihre Pläne und harren mit uns aus, Aigner kümmert sich um die neue Stange und den Versand von Deutschland – läuft alles prima!
Müde und kaputt. Warum zum Teufel ist die Stange verbogen? Rätselhaft…..
Feierabend. Heute vermissen wir zum ersten Mal ein echtes, kühles Bier mit Alkohol……
Ein dunkler Tag mit Happy End!
Morgen sehen wir weiter….
Das ist definitiv das schönste Bild des Tages!!
Und dieses das glücklichste!!!
Bis dann, liebe Grüße!
Martin & Julia
Drink positive!
Auf Instagram: Rappelkisteberlin
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