Kardamili, Steinmännchen entstehen am Strand. Tobias vertreibt sich die Zeit mit dem kunstvollen geduldigen stapeln von Steinen. Unsere Wagen sind mit gebührlichem Abstand geparkt, wir sind auf den zu erwartenden Lockdown vorbereitet. Das Steinmännchen vor der Rappelkiste wird mit unserer großen Badeente gekrönt.
Nachmittags spaziere ich zur Apotheke. Der Verkauf findet nur noch durchs Fenster statt, mit spitzen Fingern in Handschuhen und weit vorgestrecktem Arm. Abstand halten. Ich fühle mich komisch, aussätzig.
Im kleinen Supermarkt arbeiten ebenfalls alle mit Handschuhen und Mundschutz, jetzt denke ich schon, daß ich auch Handschuhe nehmen könnte. Die Verkäuferinnen sind wie immer sehr freundlich und entspannt.
Wir sitzen lesend in der Sonne, als gegen Abend zwei riesige Wohnmobile aus Deutschland neben uns halten. „ Bleibt ihr hier stehen?“ fragt der eine Fahrer. Als wir das bejahen, fühlen sie sich anscheinend eingeladen, sich noch in die Lücke zwischen uns zu pressen. Moment mal, war da nicht was mit Abstand halten? Jetzt könnten wir uns von Fenster zu Fenster die Hand reichen. Wir protestieren, das es zu eng sei. Der Fahrer sagt: „ in diesen Zeiten müssen wir Camper doch zusammenhalten!“ „ Nein, in diesen Zeiten müssen wir Abstand halten“ kontert Tobias. Grummelnd parken die beiden Riesen wieder aus und finden ein paar Meter weiter auch ein schönes Plätzchen. Warum nicht gleich so? Manchmal wundert man sich……
Ein schriller Warnton auf Martins Telefon schreckt uns auf: das Gesundheitsministerium von Griechenland verkündet, daß auf unnötige Fahrten verzichtet werden soll. Ist das schon die Ausgangssperre? Dürfen wir auf Dauer hier am Strand stehen? Tobias geht zur Polizei, um das abzuklären. Man schickt ihn zur Gemeinde und dort weiter bis zum Vizebürgermeister. Dieser gibt uns das offizielle Okay: wir sollen nicht fahren, er wird sich kümmern, falls sich die Situation ändert. Das beruhigt uns.
Freunde berichten von Strandräumungen in Spanien, von konfiszierten Wohnmobilen und raten uns dringend, ein privates Grundstück zu finden.
Durch die Rückendeckung des Vizebürgermeisters fühlen wir uns sicher. Am Nachmittag bekommen wir Besuch von zwei netten Berlinern, die im Ferienhaus von Freunden wohnen. Sie haben Bier mitgebracht und erzählen mit typischem Humor fröhliche Geschichten über ihr Leben in der DDR. „ Wir kommen euch wieder besuchen, wenn wir dürfen?“ – Aber sicher! Martins Hand schwillt endlich ab, Sonne scheint, wir essen abends zusammen draußen, alles prima.
Währenddessen spitzt sich in rasantem Tempo die Lage auf der Welt zu: uns erreichen immer mehr schlechte Nachrichten von reisenden Freunden: in Indien werden sie als Viruseinschlepper beschimpft, unsere Freunde bekommen kein Taxi und nur noch schwer ein Hotelzimmer. Heimflüge werden gebucht und von den Fluggesellschaften gecancelt. Andere jagen mehrere 1000 Kilometer durch Russland um Europa noch zu erreichen, kein europäisches Land läßt sie mehr einreisen, letzte Hoffnung ist Finnland. Die nächsten verlassen fluchtartig mit Passierscheinen über menschenleere Autobahnen Portugal und Spanien. Viele Freunde in Berlin verlieren ihre Existenzgrundlage. Wir sorgen uns mehr und mehr und sind so dankbar, daß wir in Kardamili einen sicheren Platz gefunden haben.
Am Nachmittag sitzen wir wieder in der Sonne, als ein Polizeiwagen anhält. Der Beamte winkt uns heran, dann ein barsches „STOP!“ Wir dürfen uns nicht mehr als 3 Meter nähern. Er lächelt nicht. „ No parking on the beach, go to a campground!“ Wir erzählen vom Vizebürgermeister und das wir hier geduldet sind. „ I am the Police and I tell you to leave. I don´t care about the mayor. Leave or it will cost you 2000,-€“ Verdammt!
Diskussion zwecklos, wir packen unsere Sachen, zehn Minuten später ist er wieder da: „ I told you to leave! You pay 2000,-€!“ Wir erklären, daß wir zusammenpacken, aber 20 Minuten brauchen. „ Five minutes!“ und fährt ab. Jetzt aber schnell, zack werfen wir die Sachen in den Wagen und fahren erstmal zum Parkplatz am Sportplatz. Beratung. Vielleicht läßt uns jemand auf seinem Grundstück stehen, die Tavernen haben ja alle geschlossen, vielleicht dürfen wir auf einen Tavernenparkplatz? Wir ziehen los, ob wir jemanden finden können. Ein junger Mann arbeitet im Vorgarten einer Taverne,Tobias spricht ihn vorsichtig an. Wie ist die Situation hier in Griechenland? Oh, sein ganzer Ärger über alles entlädt sich über uns. Der junge Mann ist so richtig sauer, kann sein Geschäft nicht aufmachen, was wir da am Strand rumstehen, schimpft er und so weiter und so fort. Wie begossene Pudel stehen wir da. Hm, der wird uns nicht auf seinen Parkplatz lassen. Das geben wir auf. Der Mann warnt uns noch: das Parlament berät gerade, wir dürfen sowieso morgen oder übermorgen nicht mehr fahren, wir sollen aufpassen, alle müssen zuhause bleiben. Tobias geht nochmal zum Vize. Aber der bedauert, er kann sich nicht gegen die Anordnung der Polizei stellen. Die Stimmung kippt, da haben wir uns zu große Hoffnungen gemacht.
Am Montagabend sind wir in Kardamili angekommen im Glauben, daß hier unser Quarantänecamp für die nächsten Wochen sein wird. Nach vier Tagen, am Freitagabend, ist schon Schluß. Was tun?
Martin und ich entscheiden schnell, jetzt sofort nach Elea zu fahren. Da stimmt die Infrastruktur und es gibt Ortsansässige, die die Camper dort unterstützen. Wir hatten bis jetzt Bedenken, daß es eventuell zu voll in Elea ist. Ein Telefonanruf beruhigt uns: es gibt jede Menge Platz. Gleichzeitig werden wir versuchen, einen privaten Platz zu finden, falls die Situation dort ebenfalls eskaliert. Yassas Kardamili, das haben wir uns ganz anders vorgestellt!!
Wir starten, ungefähr 130 Kilometer sind es bis Elea, wir werden auf jeden Fall in die Dunkelheit kommen. Tobias muß noch was erledigen und kommt später nach.
In Kalamata halten wir bei unserer Lieblingsbäckerin, kaufen noch Brot und Kekse. Herzlich verabschiedet sie sich, ob wir wiederkommen, wenn alles vorbei ist? Ganz bestimmt, wir wünschen uns gegenseitig alles Gute für diese „difficult times“.
Im Supermarkt wollen wir für die nächste Woche einkaufen, Security steht vor der Tür, es darf nur einer von uns rein. Ich bekomme Handschuhe überreicht. Im Markt ist es ruhig, die Leute kaufen normal ein. Keine Panik, keine Hamsterkäufe. Angenehm. Wir brettern weiter durch die Dunkelheit und um halb acht erhellen wir den Platz in Elea mit unseren Superpowerscheinwerfern. Und freuen uns unglaublich, denn unser Parkplatz von letztem Mal ist frei! Als hätte man auf uns gewartet! In erster Reihe hinter der Düne mit Meerblick, perfekt!
Es fühlt sich an, wie nach Hause kommen. Die meisten Leute hier kennen wir, es sitzen zwar alle schon in ihren fahrenden Häusern, aber wir werden per Whatsapp willkommen geheißen.
Ja und da sind wir jetzt. Am Freitagabend angekommen, am Sonntagabend beschließt das griechische Parlament den sogenannten “full lock down“ ab Montagmorgen 6 Uhr. Wir erfahren das wiederum durch eine Warnsms vom Ministerium und gleichzeitig auch von einem griechischen Instagrambekannten, der uns von Deutschland aus verfolgt und uns seitdem mit den aktuellsten Nachrichten aus Griechenland versorgt. Das ist so toll, vielen, vielen Dank dafür, Thomas!
Freunde von uns hatten vor Monaten hier an einer Tankstelle jemanden kennengelernt, der sie damals eingeladen hat, ihn zu besuchen. Sie erzählen ihm, das wir einen privaten Platz suchen für den Notfall und dieser uns völlig unbekannte Uwe setzt sich mächtig für uns ein und probiert wirklich alles, um uns unterzubringen. Leider zerschlägt sich davon manches, aber das Engagement von diesen fremden Menschen für uns haut uns um. Wir sind unglaublich dankbar!
Diana, die hier lebt, spricht mit der Polizei in Kyparissia und wir werden – diesmal ganz offiziell von der Polizei – geduldet. Unter der Auflage, daß wir Abstand, Abstand und Abstand zueinander halten und möglichst nur zum einkaufen fahren, dürfen wir vorerst bleiben.
Seit 21 Tagen stehen wir jetzt hier, einmal in der Woche fahren wir zum einkaufen. Jeder, der fährt, fragt vorher rum, ob jemand etwas braucht, eine tolle Gemeinschaft hier. Wir haben das große Los gezogen: Sonne, Meer, Strand, nette Nachbarn, viel Platz…..
Und trotz allem sitzt uns die Ungewissheit, wie lange das hier gut geht und wir bleiben dürfen, im Genick. Und es schleicht sich das Gefühl ein, daß wir – trotz allem positiven – im goldenen Käfig sitzen.
Wir müssen uns noch daran gewöhnen……
Nächstesmal kommen wieder mehr Bilder rein, versprochen!
Euch alles Gute, bleibt gesund, liebe Grüße!
Julia & Martin
Drink positive!
Auf Instagram: rappelkisteberlin
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