5Uhr30, mit Weihnachtskeksen und Tee sitze ich am Fenster. Die ersten Berge Südgeorgiens kommen in Sicht.
2024 Kilometer sind wir von Ushuaia entfernt, mitten im Südpolarmeer.
Was ist das da am Horizont?
Ein Eisberg!! Der erste Eisberg meines Lebens!
Allerdings sehr weit weg…aber immerhin: der erste Eisberg!
Die See ist etwas unruhig, eine Gischtfontäne verwischt mir die Sicht
Und was ist das da? Eine Klippe?
Nee, das ist keine Klippe, das ist noch ein Eisberg! Riesig und ganz nah! Martin! Komm schnell!
Die Sicht ist echt mies, wir eilen an Deck.
Da schwimmt er. Ein RIESE!
Ein unbeschreibliches Gefühl zum ersten Mal einen Eisberg zu sehen. Fotos können nicht wiedergeben, wie sehr uns dieser Anblick beeindruckt und berührt.
Langsam schiebt sich die Diana an der Küste Südgeorgiens entlang.
Traumhaft schön! Bizarre Bergriesen, schneebedeckte Gipfel, Gletscher, deren Eiszunge sich bis ins Meer streckt. Wir sind begeistert von der eigenwilligen Schönheit der Insel.
Rauh und unwirtlich sieht das Land aus. Wie unendlich glücklich müssen Shakleton und die fünf Männer gewesen sein, als sie es 1916 tatsächlich geschafft hatten, diese Insel zu erreichen. Für vier Wochen hatten sie Proviant an Bord ihres kleinen Bootes. Shakleton wusste: wenn dieser Vorrat ausgeht, bevor sie Land gefunden haben, hätten sie sich hoffnungslos verirrt. Dann wären sie ohnehin dem Tode geweiht. Was für ein Mut! Zwei Wochen durch schlimmste Stürme waren sie über 1300 Kilometer von Elephant Island hierhergesegelt. Das zu navigieren! Bewundernswert!
Da haben wir es so viel besser!
Mehr und mehr Eis treibt im Wasser, abgebrochen von den Gletschern
Pinguine springen durchs Wasser. Ein Amsterdam-Albatross startet mit ordentlich Anlauf, denn er muss erst Luft unter die Flügel bekommen zum Abheben
Grytviken kommt in Sicht. Der ehemalige Walfängerort.
Am Strand liegen viele Seelöwen und Pelzrobben, Pinguine spazieren herum
Da ist der Friedhof, auf dem Sir Ernest Shakleton beerdigt ist.
„Der alte Geruch von toten Walen durchdringt alles.“ So beschrieb Sir Ernest 1922 Grytviken.
102 Jahre später erleben wir es im schönsten Sonnenschein, was hier wohl eine Seltenheit ist.
Bevor wir an Land gehen, erklärt eine Mitarbeiterin des South Georgia Heritage Trust ihre Arbeit. Sie bemühen sich um zwei Dinge: die originale Flora und Fauna wiederherzustellen und zu bewahren und ausgewählte, historische Gebäude instandzusetzen. Dafür sammeln sie Spenden. Das Geld für jeden Artikel aus ihrem kleinen Laden fließt eins zu eins in den Trustfond.
Ein sehr sympatischer kurzer Vortrag.
Dann heißt es: fertig machen zum Landgang.
Falls noch jemand ein Krümelchen an seinen Sachen findet, liegt Werkzeug bereit.
Mit den Bordpässen loggen wir uns bei jedem Landgang aus und später wieder ein.
Wir sind bereit!
„Vorsicht vor den Seelöwen!“ hat man uns eingeschärft. Mindestabstand 15 Meter. Sie sind flink unterwegs und meistens schlecht gelaunt, heißt es. „Sie kommen zu dir gerobbt mit ihren Kulleraugen und du denkst, wie niedlich! Und dann beißen sie dich!“ erzählt Dimitri, der seine Erfahrung mit den Pelztieren schon gemacht hat.
Dieser hier posiert wie ein Profi Modell, schnell sind die Warnungen vergessen….
Team Green läuft zuerst zum Friedhof hinauf. Vorbei an den riesigen Tanks für Walöl. Inzwischen sind fast alle gereinigt, was für eine Sauarbeit das gewesen sein muss.
Ein kurzer Blick auf die Kirche, die sehen wir uns später an.
Überall liegen Pelzrobben und Seelöwen herum, man muss so aufpassen, ihnen nicht unabsichtlich zu nahe zu kommen. Sie liegen still wie Steine und plötzlich sind sie hinter dir.
Wer kräht denn da die ganze Zeit?
Diese süßen Robbenbabies! Zauberhaft!
Es geht weiter zwischen den alten Schuppen hindurch
Eine Gruppe Königspinguine steht am Strand. Sie sind fast einen Meter groß, die zweitgrösste Pinguinart.
Also, Pinguine begeistern uns mehr und mehr. Wunderschöne Tiere.
In einem Bach liegen Walknochen, wahrscheinlich seit ewigen Zeiten. Robbenbabies spielen dazwischen im Wasser.
Immer wieder bleiben wir stehen und schauen
Ein neugieriger Gentoo Pinguin und ein Seelöwe stellen sich uns in den Weg.
„Hallo!“
Wir warten ab, bis die beiden weiterwandern und beobachten so lange Robbenbabies
Dann sind wir am Friedhof angekommen.
Am Tor wird Whisky ausgeschenkt. Sir Shakleton war am Ende seines Lebens vom strikten Abstinenzler zum Trinker geworden. Man vermutet, daß er starke Schmerzen in Alkohol ertränken wollte.
Alison vom Expeditionsteam liest aus den Tagebuchaufzeichnungen des Schiffsarzt Macklin vor:
Auf einer erneuten Expeditionsfahrt erlitt Sir Ernest Anfang Januar 1922 in Grytviken einen zweiten Herzinfarkt. Der herbeigerufene Schiffsarzt Macklin riet ihm dringend, ein geregelteres Leben zu führen. „Sie wollen immer, das ich Dinge aufgebe, was sollte ich denn jetzt aufgeben?“fragte Shakleton. „Hauptsächlich den Alkohol, Boss“ antwortete der Arzt. Wenige Stunden später starb Sir Shakleton im Alter von 47 Jahren.
Seine Frau Emily entschied, daß er hier beerdigt sein soll, in der Nähe seiner geliebten Antarktis.
„To the Boss!“
Wir stoßen auf ihn an.
Früher goss man den Whisky traditionell auf das Grab. Das ist nicht mehr erlaubt. Dann muss der Whisky eben durch die Kehlen rauschen, trotz der frühen Stunde. Auf Shaky!
Viele junge Männer sind hier beerdigt, kaum einer älter als Mitte Dreissig, die meisten wesentlich jünger. Walfänger und Zerleger, gestorben weit weg von ihrer Heimat.
Alle Gräber zeigen von Westen nach Osten, nur Shakletons ist nach Süden ausgerichtet, mit „Blick“ auf die Antarktis.
Wir machen uns auf den Rückweg.
Tiefenentspannt liegen die Seelöwen in der Sonne, die Kleinen tollen herum, ein friedliches Bild.
Eine Frau schlägt alle Warnungen in den Wind und geht mit der Kamera sehr nah an einen Seelöwen heran. Blitzschnell springt er auf, zeigt seine Zähne und jagt hinter der schreienden Frau her. Dimitri muss dazwischengehen, damit er ablässt.
Das Tor vom Werkstattlager steht auf, wir schauen hinein. Was es da noch alles gibt!
Im Office stehen die Schränke mit den Karteikarten, auf denen jede Entnahme und Bestellung vermerkt wurde.
Draußen lagern tonnenschwere Stahlketten
Die Zeit drängt etwas, wir eilen zur Kirche.
Hell und freundlich, noch im Weihnachtsschmuck
Im Hinterraum befindet sich die alte Bibliothek
Liebevoll erhalten.
Jetzt noch zum Museum, das möchten wir so gerne noch sehen. Und zum Shop.
Verrostete Generatoren aus vergangener Zeit
Durch den Museumseingang segelt ein Wanderalbatross
Ein Modell der Endurance
Die Räume bieten Einblick in das damalige Leben. Sehr gemütlich.
So haben bestimmt nicht alle hier gewohnt. Oder doch?
Wir schlendern durch die Räume. Werkzeug und Maschinen, der alte Funkraum
Es gab ein Kino
Wir sehen eine Produktausstellung, alles sehr liebevoll präsentiert, ein sehr schönes Museum.
Dann geht es hinüber zu den Tieren. An der Wand hängt ein Seelöwenfell, daß man anfassen darf. Unglaublich dicht sind die Haare.
Dazu gibt es viele Schautafeln und Fotos, wir haben leider nicht mehr viel Zeit.
Ein Foto von Sir Ernest und seiner Truppe.
Schnell noch rüber zum Shop. Da drängen sich bereits unsere Mitreisenden und kaufen haufenweise Pullover, Schals und andere Andenken. Wir suchen uns Aufnäher aus und Martin findet eine kuschelweiche Mütze, die ihm so gut gefällt, daß er sie mitnimmt. Schön!
Da sind ein paar Pounds zusammengekommen für den Trust.
Unser Zodiak wartet. Romero bringt uns flott zurück zur Diana.
Sehr interessant ist es in Grytviken, es gibt viel zu sehen, hat uns super gefallen. Wir wären gerne noch etwas länger geblieben. 90 Minuten sind zu kurz für einen Grytvikenbesuch.
Aber die SH Diana ist ja nicht das einzige Schiff, das Grytviken besuchen möchte. Es gibt Zeitslots, die die verschiedenen Schiffe verabredet haben. Die anderen möchten ihre Gäste ja auch hierherbringen und es darf immer nur eine bestimmte Anzahl Leute an Land. Dadurch wird es zeitlich etwas gedrängt, aber dafür stehen wir nicht mit 10 anderen Schiffen in der Bucht und mit tausenden Passagieren an Shakletons Grab.
Ist schon in Ordnung so.
Punkt 12 Uhr sind alle Gäste wieder an Bord, die Diana setzt ihre Fahrt fort Richtung Fortuna Bay.
Bye bye Grytviken, bye, bye Shaky…
Liebe Grüße, bis gleich!
Julia & Martin
Drink positive!
Auf Instagram: Rappelkisteberlin
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