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Regen tropft auf´s Dach, weckt uns auf. Ein lange nicht gehörtes Geräusch. Der Untergrund an unserem idyllischen Oued Aoreaora wird seifig, rutschig, wir müssen aufbrechen, bevor es zu schmierig wird.
Die Piste am Fluss entlang ist wunderschön, dann ein paar Kilometer auf Teer, wir erreichen Tantan. Einkaufen steht auf dem Programm, der Regen ist längst vorbei, wir gehen über den Souk. Die Stadt ist alles andere als schön, noch nicht mal interessant, eigentlich nur zweckmäßig.
Gemüse ist schnell eingekauft, wir bekommen sogar frische Milch in einem kleinen Supermarkt! Jetzt noch Eier. In einem Gewürzladen werden wir fündig. Zwei fröhliche Jungs arbeiten dort:“ bienvenue au Maroc! Woher kommt ihr?“ Wir unterhalten uns ein wenig, reichen dann unsere Sechser – Eierpappen rüber, damit sie sie füllen und blicken in erstaunte, fragende Gesichter…was ist das? Die Pappen werden gedreht und gewendet, dann geöffnet: „ahhh….sowas gibt es in Deutschland?“ Die beiden sind begeistert.
Wir haben alles beisammen, treffen die anderen wieder. Die Fahrt über den Plage blanche war wohl recht spannend, am Anfang tiefsandig, später dann direkt an der Wasserkante gut zu fahren. Ein Marokkaner hatte sich festgefahren, der wurde noch rausgezogen.
Übernachten wollen wir etwas außerhalb, bei einer Oase. Als wir aus der Stadt rausfahren, sehen wir am Strassenrand den Steyr von Heinz aus der Schweiz stehen! Leider ist niemand zuhause, wir haben ihn anscheinend knapp verpasst!
Als erstes verfahren wir uns, biegen falsch ab. Dann stoppt die Elli. Die Hutmutter von der Gopro außen am Spiegel ist abgefallen, wir suchen gemeinsam die Strasse ab…. das sieht aus wie der Workshop einer Therapiegruppe!
Und gefunden haben wir die Hutmutter auch nicht….
Dafür finden wir den richtigen Weg und parken in der kleinen Palmenoase. Heftiger Wind schaukelt uns durch die Nacht, ein traumhafter Vollmond scheint über uns und bietet uns am nächsten Morgen ein perfektes Monduntergangsschauspiel.
Aufbruch zum Draa-Tal. Die ersten Kilometer geht es über normale Strasse, wir überqueren einen hohen Pass, kommen durch Tilmzout. Dann auf die Piste. Ein marokkanischer LKW fährt vor uns, es gibt zwei parallele Pisten. Wir wählen die weichere, Elli wechselt auf die härtere Piste, kann da schneller fahren
und läßt den LKW hinter sich zurück. Lange Zeit gondeln wir dahin, dann sehen wir die Elli am Pistenrand stehen. Nanu? Was ist los? Sie haben den Auspuff verloren! Kein Problem, wir kehren um, Alfred und Sylvia haben einen auf der Strecke liegen sehen und noch gescherzt, ob das vielleicht der von der Elli wäre! Auspuffsuche. Der marokkanische Laster kommt uns entgegen, wir fragen, ob sie den Auspuff gesehen haben? Die Fahrer zeigen nach hinten, ja, ja, dahinten. Wir suchen weiter. Nichts. Nichts und nichts. Irgendwann geben wir auf, der Auspuff ist nicht zu finden. Hat ihn vielleicht schon jemand mitgenommen? Wir fahren zurück. Wolfgang winkt von weitem. Er hatte den LKW ebenfalls gestoppt, die Besatzung befragt und siehe da: der Auspuff lag hinten auf der Ladefläche! Diese Schlingel!
Wir kehren gemeinsam zurück nach Tantan zu einer Autowerkstatt. Kein Problem, sie beginnen gleich mit der Arbeit.
Nach einem Kaffee fahren wir anderen schon voraus zur kleinen Palmenoase von gestern. Nicht lange und Brigitte und Wolfgang kommen mit reparierter Elli und geben erstmal eine Runde Bier aus!
Zweiter Anlauf zum Draa – Tal. Diesmal werden wir in Tilmzout gestoppt. Kontrolle, wir sollen einen „Fiche“ abgeben. Ein Din A 4 Blatt, auf dem man alle persönlichen Daten bis hin zu Reisepassnummer, Fahrtziel etc und alle Fahrzeugdaten eintragen muß. Alfred und Sylvia reichen einen aus dem Fenster, alles gut, weiterfahren. Wir haben vergessen einen auszufüllen, entschuldigen uns – macht nichts, „pas de problem, Madame“, weiterfahren!
Die Piste ist in gutem Zustand, wir kommen flott voran. Dann taucht rechts von uns die überwältigende Felswand vom Draa – Tal auf! Durch eine kleine Schlucht führt der Weg ins Tal.
Die Landschaft ist grandios!
Geschätzt einen Kilometer breit liegt das Tal vor uns, rechts begrenzt durch die hohe dunkle Felswand und linkerhand durch Berge, die sich in sanften Wellen scheinbar endlos dahinschwingen. Wie versteinerte Brandung. Das Gestein wechselt die Farbe, mal ocker, dann grünlich oder schwarz glänzend. Nadelartige Basaltbrocken ragen auf, dann plötzlich ist der Untergrund rot-weiß marmoriert, wir fahren wie auf Bodenfliesen. Viele Akazien, vom Wind schiefgeweht. Mal ist der Boden betonhart, dann plötzlich wieder sandig. Wir queren eine weitläufige, topfebene Schwemmfläche. Mit 10 – 20 km/h rollen wir dahin und staunen über die sagenhaft weite Landschaft. Um halb fünf machen wir bei ein paar Akazien Feierabend. Groß und leicht orange leuchtet der Vollmond, taucht die Landschaft in eigenartiges Licht. So afrikanisch sieht das aus, wir haben das 1000fach auf Fotos gesehen, aber die Realität toppt alles….
Ca 3,5 km weiter soll ein Antennengrab sein. Über Antennengräber ist wenig bekannt. Wer sie gebaut hat und warum in dieser Form weiß niemand mehr. Ursprünglich wohl mit Grabbeigaben ausgestattet sind alle inzwischen geplündert. Wir erreichen einen großen Hügel, müssen etwas herumklettern, bevor wir es finden. Unwahrscheinlich ebenmäßig und weiträumig liegt es oben auf der Kuppe. Die Flügelspannweite ist beträchtlich, wie baut man so etwas, ohne einen Blick von oben darauf werfen zu können? Wie von Außerirdischen gemacht! Wir bleiben eine Stunde, sind fasziniert, die Atmosphäre ist durchaus etwas spooky…
Schließlich geht es weiter, hopp, hopp, über Bodenwellen hoppeln wir, wie auf Ponies, über die Piste, abwechselnd mit weichem Sand. Nach drei Stunden Hoppelei sehen wir rechts ein paar kleine Sanddünen, Akazien bieten Schatten, ein sehr schöner Platz. Wir biegen ab und bleiben.
Nicht lange und wir hören von Ferne ein Moped kommen. Zwei Marokkaner brausen kichernd und lachend heran. Ob sie Sprit für´s Moped haben können? Nein, wir haben ja nur Diesel. Sie plaudern ein wenig mit Wolfgang, dann düsen sie kichernd wieder ab.
Wir kochen für´s Abendessen, hängen ein bißchen rum. Später ziehen die Männer mit Akkusägen bewaffnet los und sammeln Feuerholz ein. Brigitte weiß, welcher Baum giftig ist und welcher stark qualmt.
Unser Lagerfeuer brennt, wir sitzen alle zusammen, haben uns immer noch viel zu erzählen und zu lachen. Der Wind hält schön still, fast bis Mitternacht, dann beginnt es heftig zu wehen und wir gehen nach Hause.
Zum erstenmal in Marokko haben wir kein Internet. Auch gut. Morgens stehen wir im stürmischen Wind und beschließen, heute nicht weiterzufahren. Bis nachmittags weht es, dann legt sich der Wind. Wolfgang düst mit dem Motorrad ab, die Gegend erkunden. Alfred geht mit Shina spazieren und findet fast direkt neben unserem Platz noch ein Antennengrab! Wir lassen den Tag ganz ruhig vergehen, Alfred und Martin lassen Drachen steigen.
Die beiden marokkanischen Mopedkicherliesen kommen wieder vorbei. Der eine Kollege steigt ab und fällt direkt um. Großes Gekicher! Heute brauchen sie Fett für die durchhängende Kette. Kein Problem, Martin holt ein Spray. Während er sprüht, soll der Fahrer die Kette drehen: „weiter…stop…weiter…stop“ – das hat der Typ schnell drauf und wiederholt konzentriert auf deutsch: „weiter…stop…“ sein Kumpel kringelt sich vor Lachen.
Schlammverschmiert kommt Wolfgang in der Dämmerung von seinem Ausflug zurück: er ist mit dem Moped im zähen Morast versunken! Sehr anstrengend und langwierig, da wieder rauszukommen.
Bevor wir morgens weiterfahren, wandern wir noch zum Antennengrab
dann starten wir die LKWs. Nicht weit, dann entdecken wir immer wieder Nomadengräber, stoppen und sehen uns um. Normalerweise sind die Gräber anonym, eines hat Grabbeigaben und eine Inschrifttafel. Ein mystischer Ort.
Unsere Fahrt durchs Tal führt über Schwemmebenen, hart wie Beton. Wir kommen voll in Geschwindigkeitsrausch: mit Tempo 40 rasen wir dahin!! Sandige Passagen bremsen uns wieder, neben uns wachsen Reihen schwarzer Felskämme wie Drachenstacheln. Wir schaukeln durch trockene, tiefe Flussbettriefen. Durch weitläufige Steppenlandschaften führt die Piste, bewachsen von niedrigen Büschen, immer flankiert von den Bergen. Wir passieren Wasserauffangbecken und Brunnen.
In einem Baum hängt eine tote Ziege, Dromedare schreiten elegant und äußerst gelassen vorbei, ein blau gekleideter Mann steht einsam plötzlich mitten in der Gegend. Wie kann man die Landschaft beschreiben? Eintönig und öde auf den ersten Blick.
Aber das scheint nur so. Der Blick schärft sich und wir entdecken ständig neue, interessante Kleinigkeiten.
Es rumpelt, hoppelt und rüttelt. Im Shelter fällt unterwegs eine Schublade raus, das Akkordeonfach öffnet sich und alles plumpst raus. Das Salzfässchen verliert seinen Boden und verteilt großzügig seinen Inhalt! Die Außenstauraumklappe mit dem Liegestuhl drin öffnet sich, die hatten wir ja im Frühling in Portugal schon geschrottet. Schrauben lockern sich. Wir müssen den Verlust unserer geliebten Rührschüssel verkraften… Jetzt zeigen sich die Schwachstellen!
Jeder Abendstellplatz ist neu und einzigartig. Einmal finden wir eine kleine Grünfläche, mitten in dieser spärlichen Landschaft, es duftet intensiv nach Kräutern – unser “ Golfplatz“ .
Abends sitzen wir alle am Feuer, über uns der unbeschreibliche Sternenhimmel. Über eine Woche sind wir jetzt schon miteinander unterwegs. Wir fühlen uns sauwohl zusammen, haben schon längst beschlossen, noch weiter gemeinsam bis nach Icht zu fahren. Brigitte sagt: “ Man hat das Gefühl, das hat keinen Anfang und kein Ende …“ Das trifft es ganz genau!
Morgen werden wir in Assa sein, zum Einkaufen. Zurück auf der Teerstrasse, zurück in der Zivilisation.
Bis bald, liebe Grüße!
Julia & Martin
Drink positive!
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