Wach mit dem ersten Hahnenschrei, kurz vor 8 Uhr auf der Strecke. Außer uns ist noch niemand unterwegs, Darende schläft noch.
Die Schornsteine rauchen, vernebeln die Luft
Das auch, aber der eigentliche Nebel steigt aus dem Fluss, dem Gürün Suyu. Sein Wasser soll konstant über 20°C haben. Am Ufer stehen vereiste Gräser und Bäume
ein wunderschöner, verdammt kalter Herbstmorgen
Zum Frühstück gibt es nur etwas Obst, wir haben kein Brot mehr und halten Ausschau nach einer Bäckerei.
Hinter Darica entdeckt Martin eine. Draußen vor der Tür stehen ein paar Männer, dazwischen große, wilde Hunde. Die Männer trinken Tee und teilen ihre Brote mit den Hunden.
Der Bäcker ist begeistert, als er uns sieht. „Where you from? Germany! Ah!!“ Er legt die rechte Hand aufs Herz:“Baba Köln!“ Sein Vater hat wohl in Köln gearbeitet. Wir kaufen unser Brot und ein großes Brötchen. „Cay, Cay!“ Der Bäcker will uns nicht ziehen lassen, bevor wir Tee getrunken haben. Also gut. In der Backstube sitzen einige Männer auf niedrigen Schemeln und frühstücken. Wir nehmen Platz auf den Kinderhockern und essen unser Brötchen. Luftig, leicht süß wie ein Rosinenbrötchen und mit scharf gewürztem Schafskäse gefüllt. Fremd und sehr lecker!
Zum Abschied bekommen wir warmes Fladenbrot geschenkt, locker gebacken und unglaublich gut!!
Bei der Rappelkiste spricht uns ein junger Mann an. Der Translator hilft bei der Unterhaltung, obwohl er auch ein wenig deutsch kann. Wenn wir nach Malatya kommen, sollen wir bitte seine Gäste sein. Seine Frau spricht sehr gut deutsch und würde sich freuen. Er ist Polizist, lernt gerade deutsch, denn sie wollen nach Ulm ziehen. Wir vermuten, seine Frau stammt von dort.
Hin- und hergerissen. Einerseits würden wir gerne die Einladung annehmen, andererseits wollen wir dringend weiter. Martin bedankt sich vielmals, bittet um Entschuldigung, daß wir dieses Mal nicht annehmen können. Nächstes Mal sehr gerne. Wie immer tut das der freundlichen Stimmung keinen Abbruch. Wir sollen gut auf uns aufpassen, wünscht uns der nette Mensch und nur an sicheren Orten bleiben. Bis nächstes Mal!
Hach, der Adrenalin Parki würde uns auch reizen…..kommt auch auf die Liste für nächstes Mal…..
In Malatya ist Markttag. Auf dem Hügel wächst ein Antennenwald, der Empfang muss ja grandios sein hier.
Wir halten zum tanken, die Tankwarte stellen sich mit Namen vor und fragen Martin aus. Woher, wohin, möchtet ihr Tee?
Ca 15 Kilometer hinter Malatya bremsen wir ab. Eine Verkehrskontrolle mit schwer bewaffneten Soldaten. Überhaupt ist die Militärpräsenz plötzlich enorm. Alle paar Kilometer passieren wir Kontrollposten mit Betonsperren, Wasserwerfern, Panzerwagen und bis an die Zähne bewaffneten Soldaten. „Ist das hier schon Kurdistan?“ fragt Martin. Ich schaue nach….ja, tatsächlich.
Vom Tal steigen über dem Stausee Karakaya Gölü Wolken auf.
Nicht lange und die Sicht ist vernebelt.
Dort, wo der Firat in den Stausee fließt, überspannt eine imposante Brücke den Fluss.
Die D300 macht einen Riesenbogen über Elazig, wir entscheiden uns für die 20 Kilometer kürzere, zweispurige Nebenstrasse und biegen ab. Eine gute Wahl, die Strecke ist wunderbar.
Seltsame Erdkegel stehen auf der linken Seite……hm…..??
Dunkelgrauer Asphalt im Kontrast zu golden schimmernden Hügelkuppen
Moscheen ohne Minarette
In der Ferne schimmert das Blau des Hazar Gölü.
Über die Hälfte unserer heutigen Etappe haben wir bereits hinter uns. Sobald wir am See sind, machen wir Mittag.
Das Wasser glitzert in der Sonne, wo ist denn die nächste Zufahrt zum Ufer?
Da!
Echt schön hier….
Im Hintergrund hofft eine Möwe auf Futter
Die Mittagspause fällt etwas ausgedehnter aus, als sonst. Der Hazar Gölü lädt zum Bleiben ein. Wieder einmal bedauern wir unser Eiltempo. Aber es bleibt dabei: bevor die Pässe zuschneien müssen wir an der Grenze sein. Also weiter…Güle Güle Gölü….
Noch mehr als 20 Kilometer begleitet uns der See
Bei Gezin schwingt die Landstrasse ab und fädelt sich durch eine Schlucht.
Maden heißt uns willkommen
Durchs wilde Kurdistan – unwillkürlich muss man an Karl May und seine Helden Kara Ben Nemsi und Sir David Lindsay denken…..
Einsame 10-Häuser-Dörfer, spannende Pisten, die in die Berge führen….ist das nicht einfach wunderschön hier?
Es gibt so viel zu entdecken….eine ausführliche Kurdistanrunde kommt auf die „Nächstes-Mal-Liste“
Die Baumwollfelder sind schon abgeerntet, hochbeladene Lkws transportieren die Wattebällchen durchs Land. Etwa 750.000 Tonnen produziert die Türkei pro Jahr, 80% für den Export.
Vor uns liegt Ergani.
Überall werden diese langen Stangen angeboten….wofür braucht man die?
Kurz nach 15 Uhr, seit 7 Stunden sind wir unterwegs. Unermüdlich steuert Martin die Rappelkiste über die Strassen….
Die nächsten Kilometer sausen wir über die Hochebene, entlang der abgeernteten Baumwollfelder
Vor den Dörfern stehen Zeltlager. Vermutlich leben hier die syrischen Flüchtlinge, die die Baumwolle von Hand ernten. Sie brauchen dringend Arbeit und erhalten dafür so wenig Lohn, daß niemand mehr die teuren Erntemaschinen mietet.
In großen Haufen lagert die Baumwolle in der Sonne.
Während der Fahrt hören wir unseren Berliner Lieblingssender, das gute Internet in der Türkei machts möglich. Entsetzt erfahren wir so von dem Bombenanschlag auf der Istiklal, der Haupteinkaufsmeile Istanbuls. Sechs Menschen sind tot, furchtbar……Im April sind wir selbst noch die Istiklal auf und ab geschlendert, begeistert von der fröhlichen Stimmung…..
Vor Diyarbakir passieren wir wieder einen der unzähligen Kontrollposten. Genug für heute, hinter der Stadt wollen wir uns einen Platz für die Nacht suchen. Am liebsten am Tigris.
Eine Baustelle vereitelt unseren Plan. Um zum angepeilten Platz zu kommen, müssten wir 30 Kilometer Umweg fahren. Lieber nicht. Es wird sich doch auch so irgendetwas am Tigris finden lassen? Eine halbe Stunde lang irren wir über Staubpisten und Baustellen, um eine Uferzufahrt zu finden. Dann geben wir auf. Bei der Ausfahrt aus Diyarbakir haben wir am gegenüberliegenden Ufer einen Parkplatz gesehen, nicht so superschön, aber sehr gut für eine Nacht. Den steuern wir jetzt an.
Am Ufer stehen Picknicksofas, der Platzbetreiber heißt uns herzlich willkommen. Natürlich dürfen wir hier übernachten, „you are welcome!“
Es ist ar….kalt, aber noch eine Menge los auf dem Picknickplatz. Grillschwaden ziehen über die Wiese…
„Magst du auch ein Feierabendgetränk?“ fragt Martin. Klar!
Über dem Tigris zieht Nebel auf….es wird frostig….
das ist ja doch ein ganz schöner Platz…..
Drinnen im warmen Rappelkistenhaus öffnen wir die letzte Flasche L´Absolu aus Uzés. Ein Rotwein aus der Provence. Der Name ist Programm, schlicht und einfach: extraklasse!
Eine leichte, erste Aufregung macht sich bemerkbar….nicht mehr weit bis zur iranischen Grenze…..
Gute Nacht, bis morgen!
Julia & Martin
Drink positive!
Auf Instagram: Rappelkisteberlin
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