Am späten Nachmittag fahren wir die ersten Kilometer auf Kuwaitischem Boden. Der erste Eindruck:
Sehr viel Sand, Wüstenzelte, Ölbohrtürme und ein endloser Strommastenwald.
Beim Al Jahra City Center halten wir. Auf dem Parkplatz die fettesten Autos.
Fast alle Frauen sind voll verschleiert mit Niqab. Man sieht nur die Augen. Im Iran und Irak haben wir das kaum gesehen, in Kuwait haben wir überhaupt nicht damit gerechnet. Die Damen in schwarz gehen voraus, dahinter, in blauen Kitteln, die Nannies mit den Kindern und dahinter die, die die Einkäufe tragen. Hausangestellte aus fernen Ländern. Hier sitzt richtig viel Geld.
Was für ein Gegensatz zu Irak!
Eine Dame fragt durch den Schleier: „Are you strangers?“ „Yes, from Germany.“ „Welcome!“
Wir kaufen 199,98 GB Internet für 15,-€. Eier können wir auch brauchen, aber 75 Cent für ein Bio Ei?! Nein, lieber nicht. Die Preise sind straff. Im Angebot viel uns unbekanntes Gemüse und fremde Gewürze. Gemüse ist recht günstig. Nach den Lädchen in Iran und Irak wirkt alles groß, organisiert, sauber, perfekt ausgeleuchtet.
Die Mitarbeiter im Supermarkt stammen allesamt aus dem indischen Raum. Hier arbeitet kein Kuwaiti. Ein Mann lädt unsere Einkäufe auf das Kassenband, ein anderer packt sie ein, schiebt den Wagen zum Steyr und will ausladen. Danke, das machen wir selbst. Solch zuvorkommenden Kundenservice sind wir nicht gewohnt.
Müde sitzen wir auf der Rappelkistentreppe, bleiben heute hier über Nacht.
Ein Pickup hält. „Hello! Cool car! Are going to Rallye Dakar?“ Martin schlendert zum Auto, die Männer unterhalten sich.
Ob wir irgendetwas brauchen? – Nein, danke! – „Braucht ihr Geld?“ Martin lacht, nein, danke! „Wir sind alle so reich“ sagt der Mann „Allah hat uns das Öl gegeben, wir haben nichts dafür getan. Aber wir können jedem helfen, der irgendetwas braucht. Braucht ihr wirklich kein Geld?“ Nein, wirklich nicht. Wir sollen uns nicht scheuen, jeden zu fragen, wenn wir Hilfe brauchen. Jeder wird uns sehr gerne behilflich sein. Er verabschiedet sich. „Welcome to Kuwait!“
30°C am nächsten Tag. Ein ruhiger Strandplatz wäre jetzt das richtige. Wir steuern nach Osten zur Bubiyan Halbinsel. Große Zeltlager bilden die Vorstädte. Am Strassenrand bieten Lkwshops Gemüse oder Spielzeug an.
Schon vor der Halbinsel biegen wir ab und holpern über Sandpisten hinunter zum Meer.
Die Küste ist noch weit entfernt, der Boden scheint fest zu sein. Doch der Schein trügt….Immer tiefer wühlen sich die Rappelkistenreifen in den weichen, feuchten Sand. Nee, stop. Besser zurück. In der eigenen Spur rollt der Steyr ganz ruhig im Rückwärtsgang zurück.
Auf festem Sand bleiben wir stehen. Wüstenwind pfeift leise um die Rappelkiste. Gut hier.
Ein SUV hält neben uns. „Hello, are you Oilworkers?“ „No, tourists from Germany“ „Welcome to my country! Do you need anything? Water? Food?“ Nein, nein, danke, sehr freundlich. Etwas später spazieren 4 Männer vorbei. „Oh! From Germany!“ Kicher, kicher….“You don´t like Japan, do you?“ Kicher, kicher…..Die deutsche Fußballnationalelf hat gerade blamabel gegen Japan verloren……“Do you need anything?“ Nein, danke! Sehr nett!
Im Dunstnebel der Nacht funkeln die Lichter von Kuwait City.
Orangegolden spiegelt sich das Morgenlicht auf dem Meerwasser.
In der Ferne ziehen Kamelherden ihres Weges. Wir spazieren los, mal die Wassertemperatur testen. Salzflecken auf dem Boden. Nicht sehr weit von der Rappelkiste entfernt, gibt der Sand nach, wir sinken ein.
Besser wieder zurück. Nachmittags bekommen wir Besuch von einer Familie. Ein Sohn fragt höflich, ob er filmen und das Video auf Youtube stellen darf? Er nimmt an irgendeiner Challenge teil. Klar, darf er.
Und noch mehr. Martin macht Kinderprogramm. „This is best! I will win!“ freut sich der Junge.
Der Vater freut sich mit, will aber nicht aussteigen. Später sammelt er alle wieder ein, bye bye!
Die untergehende Sonne – wie auf dem Plattencover von „Caravanserai“ von Santana. Der passende Soundtrack, wir hören gleich mal rein.
Heute erobern wir Kuwait City! Um der Rush Hour zu entgehen, starten wir sehr früh morgens.
Unter Stromkabelvorhängen hindurch zum Sheik Jaber Al Ahmed Al Sabar Causeway.
Die 36 Kilometer lange Brücke ist die viertlängste der Welt und führt über den persischen Golf in die City. Eine Möwe zeigt uns, wovon das Strassenlaternendesign abgeleitet worden ist.
Durch den Dunstschleier schimmert die Skyline von Kuwait City
Auf schlanken Stelzen schwebt die Brücke über die Bucht, an der höchsten Stelle hängt sie an einem segelförmigen Pfeiler.
Am südlichen Ende befindet sich Southern Island, wir fahren ab und schauen uns das an. Der Blick auf die Skyline ist fantastisch!
Auf der anderen Seite ist ein Sommergarten mit Großbildleinwand aufgebaut. Public viewing für die Fußball WM. Deutschland spielt heute gegen Spanien. Vom Rappeldach aus hätten wir perfekte Sicht….Vielleicht bleiben wir heute hier?
Oder vielleicht kommen wir heute Abend wieder. Wir fragen die Security, ob wir übernachten dürften. „No problem, you are welcome.“ Na, dann vielleicht bis nachher!
Auf leerer Autobahn rollen wir in die Stadt. Die Fahrbahnen schlingen sich mehrstöckig übereinander, wie sich umeinander rankende Kleeblätter – Strassenplaners Traum.
Die moderne Architektur von Kuwait City begrüßt uns, wir werfen einen ersten Blick auf die Grand Moschee und die Wassertürme.
Nach dem hier üblichen U-turn biegen wir ein auf den langgezogenen Parkplatz.
Vorn parkt ein weißer MAN. Marietta und Martin, unsere Grenzkameraden! Seit 2 Tagen stehen sie hier, wollten doch nicht länger im Irak bleiben.
Nach dem Frühstück laden wir die Fahrräder aus und machen eine Stadtrundfahrt.
An der Küste entlang führt eine breite Promenade, darauf können wir bis zum Fischmarkt radeln. Die Grand Moschee liegt dort ganz in der Nähe.
Wir müssen oft absteigen, die Bordsteinkanten sind nirgends abgesenkt, diese Stadt ist nicht für Radfahrer gedacht.
Am Eingang zur alten, bunten Fischhalle stehen Männer in lila Uniform. Ihre Aufgabe ist es, den Einkaufswagen zu schieben und die Einkäufe ins Auto zu laden. Wie früher bei uns die Gepäckträger. Vollservice für den Kunden.
Drinnen in der Halle ist es blitzsauber. Und die Menge und Vielfalt der angebotenen Fische und Schalentiere unfassbar!
Blaubeinige Krabben, petrolfarbene Muscheln, Fische in jeder erdenklichen Form und Farbe.
An einem Stand werden Krabben gepult. Ein Mann zieht sie aus der Schale, ein anderer säubert nach. Das geht so fix, unglaublich. Die Fischverkäufer sind sehr freundlich, ermuntern uns, zu fotografieren.
Was passiert mit all den Fischen, die heute nicht verkauft werden? Das ist doch alles viel zuviel? Ein großes Wunder, daß es überhaupt noch einen Fisch im Ozean gibt
Nebenan ist die Obst- und Gemüsehalle. Wir probieren uns unbekanntes Obst namens Káka und nehmen davon etwas mit. Hui, saftige Preise!
Altertümliche Daus dümpeln dicht an dicht im Hafen. Fischerboote aus der Vergangenheit, im Hintergrund die modernen Wolkenkratzer. Ein starker Kontrast.
Aber es wird noch besser: aus Kühllastern werden Eisblöcke in Gitterwagen umgeladen.
Männer rollen die schweren Wagen zu den Daus und laden die Blöcke in die Frachträume.
Nicht nur die Boote sind aus vergangenen Jahrhunderten, sondern auch die Kühlmethode für den Fang.
Fasziniert sehen wir zu, milde belächelt von den Eisarbeitern.
Dann schieben wir die Räder über große Strassenkreuzungen zur Grand Moschee. 20.000qm überbaute Fläche auf einem mehr als doppelt so großen Areal. Mitte der 1980er Jahre wurde sie fertiggestellt. Der Männergebetssaal umfasst 5000qm. Riesig. Für uns leider nur von außen zu betrachten, denn wir kommen außerhalb der Öffnungszeiten. Pech.
Den alten Souk Al-Mubarakiya hätten wir gerne besucht, aber laut Internet hat er erst in 4 Tagen wieder geöffnet. Stimmt gar nicht, wie wir zu spät herausfinden.
Bleibt noch die Assima Mall, die uns empfohlen worden ist.
Mit dem Fahrrad durch Kuwait City macht keinen Spaß. Die Strassen sind nicht für Radfahrer geplant.
Auf dem Bürgersteig oder durch möglichst kleine Strassen suchen wir den Weg durch den SUV Verkehr. Fußgängerampeln? Wofür? Hier geht niemand zu Fuß. An der Mall angekommen, dürfen wir die Räder nicht abstellen. Jedes der Riesenautos kann dort parken, unsere Räder nicht. Wir schieben sie etwas abseits in eine Haltebucht.
Die Assima Mall ist kalt. An Temperatur und Raumgestaltung. Keine Spur von der Entertainment-Wohlfühlshoppingatmosphäre, die die Malls in Berlin zu verbreiten versuchen.
Im Keller befindet sich ein französischer Supermarkt, wir haben Durst und möchten Wasser kaufen. Die 4,5kg Packung Toblerone begeistert mich, in der Getränkeabteilung füllen Weine und Champagner die Regale, alkoholfrei natürlich. Ein Hauch von Weihnachten…es gibt Schokoladenweihnachtsmänner.
Genug, wir radeln nach Hause. Nicht so einfach, wenn man stark befahrene Kreuzungen und Autobahnzu- und Abfahrten überqueren muss. Über eine Fußgängerbrücke geht es Richtung Al Shaheed Park.
Wenn wir es bis zum Park schaffen, können wir im Grünen bis fast zu den Wassertürmen radeln.
Aber wir werden nicht hineingelassen. No bikes! Sorry! Auch nicht schieben, es sei zu gefährlich. What?! Im Vergleich zum brausenden Verkehr auf den Riesenstrassen kommt uns das reichlich übertrieben vor. Nicht zu ändern. Also weiter an den Hauptstrassen entlang bis zur Rappelkiste.
Kuwait City macht es uns nicht leicht…..
Endlich wird es etwas kühler, zum Abend kommen Familien an den Strand, breiten einen Teppich aus und picknicken.
Wir kramen ein Päckchen Lebkuchen raus, es ist der erste Advent. Wir hätten es fast vergessen, Weihnachten ist so weit weg…
Ununterbrochen fegen Arbeiter die Strasse sauber, rauf und runter.
Es ist mächtig was los. Dicke Autos wummern über den Parkplatz, mit bunt beleuchteten Frontgrills und blinkender Unterbodenbeleuchtung.
Spaziergänger, Jogger, Männer in kurzen Hosen, die schwarzen Tücher der Frauen wehen im leichten Wind.
Die Wassertürme strahlen in bunten Farben. Disneyland. Aber schön…..
Wir fahren nicht raus zum public viewing. Martin sieht draußen vor der Rappelkiste fern, Deutschland spielt 1:1, ich verschlafe das komplett….
Gute Nacht!
Bis bald, liebe Grüße!
Julia & Martin
Drink positive!
Auf Instagram: Rappelkisteberlin
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