Bis Mitternacht erfeuen uns die Zwergohreulen am Lorifluss mit ihrem eintönigen Dauertuut—tuuut—tuuut.
Nun singen die Morgenvögel ihre fröhlichen Melodien, die Sonne brazzelt, Insekten summen umher.
Unser Weg soll uns heute in die viel gerühmten Weinanbaugebiete Kachetiens führen. Romantische, urige Weinschänken warten auf uns, wir freuen uns jetzt schon auf einen kühlen Tropfen Traubensaft unter schattigen Rebenranken……
Alles startklar? Ja!
Auf die Piste nach Norden.
Vor uns fahren mit Erde beladene Lkws. Wenig später sind die Erdhaufen in langen Reihen abgeladen und daneben etwas, was wir schon lange nicht mehr gesehen haben: Zäune.
Was wird das ?
Noch ein Blick auf die gestaffelten Berge, wie umgefallene Dominosteine, davor der grünen Wald um das Loriufer – so schön war es dort!
Die Piste schlängelt sich durch die Steppenlandschaft, hellrot leuchten Mohnfelder.
Auf einem schmalen Weg zieht die Rappelkiste einen Berg hinauf
Dahinter Obstplantagen, an deren Zäunen große Schilder vor Pestizideinsatz warnen.
So weit das Auge reicht, erstreckt sich Agrarland. Getreide und Tabak, die Feldränder stehen voller Wildblumen
Den Feldweg weiter entlang, da sehen wir die ersten Weinreben
Nach 26 Kilometern rollen wir durch Kvemo Bodbe. Die Jungs vor dem „Café“ staunen und grüßen freundlich.
An der Hauptstrasse angekommen biegen wir nach links, nach Westen. Im Nachbarort gibt es eine Wasserstelle und eine supergute Bäckerei, beides kennen wir von der Hinfahrt.
Kreuz und quer hängt das Stromkabelgewirr über der Strasse, wir ahnen nicht, daß uns dies heute noch zum Verhängnis wird….im wahrsten Sinne des Wortes.
Durch Wälder geht es hinauf in die Berge nach Sighnaghi. Am Strassenrand werden Teppiche und Fellmützen feilgeboten.
Wir überlegen, ob wir eine Besichtigung der Bodbe Monastery unternehmen. Aber ehrlich gesagt, sind wir von den letzten Tagen so übervoll mit Eindrücken und Erlebnissen, das wir eine Pause brauchen. Wir sparen uns die Monastery für´s nächste Mal..
Die Einfahrt in die Stadt Sighnaghi macht Lust auf einen Spaziergang, es soll einer der schönsten Orte der Region sein. Wir suchen uns einen Parkplatz.
Die gepflasterte Strasse führt zum zentralen Platz, die Häuser zieren schöne Holzverandas.
Neben dem Platz ein Park mit hohen Laubbäumen. Ein Musikant singt georgische Lieder, wehmütige Melodien. Wir wandern durch den Schatten der alten Bäume, viele Leute sitzen auf den Bänken und lauschen dem Musiker und dem Vogelgezwitscher.
Die Strasse etwas abwärts ist eine kleine Markthalle, dunkel und kühl. Als wir eintreten, stürzen sich die Verkäufer auf uns. Wir suchen eilig den Ausgang.
In den Seitengassen stehen sich die Häuser eng gegenüber, ein Restaurant hat seine besten Zeiten hinter sich.
Am 24/24 Hotel vorbei laufen wir nochmal hoch zur Station der Zipline. An einem Stahlseil hängend kann man hier das Tal überqueren. Und da kommt auch schon einer angesaust…
Zurück zur Rappelkiste. Nicht ganz einfach, sich durch die schmalen Gassen hinaus aus der Stadt zu winden. Und beim rausfahren entdecken wir, daß die eigentliche, als sehr malerisch gerühmte Altstadt etwas unterhalb liegt – wir haben sie gar nicht gesehen!!!
Nächstes Mal….
Durch den letzten Torbogen hindurch und in den Wald hinein, abwärts.
Da unten im Tal liegen die Weinorte, mit den kleinen, urigen Schänken…..wir sind sehr gespannt.
In den Bergen verdampft der Schnee, im Tal stehen schier unendlich viele Weinreben, noch sind die romantischen Orte nicht zu sehen…..
In Gurjaani, einer größeren Stadt halten wir beim Supermarkt und holen uns eisgekühlte Limonade gegen die Hitze.
Dann weiter durch langgezogene Strassendörfer. Unter den Schattenbäumen sitzen die Dorfbewohner zusammen. Vor sich große Eimer mit Kirschen und Erdbeeren zum Verkauf. Manche haben Tisch und Stühle rausgestellt, spielen Karten oder plaudern. Sehr idyllisch, Dorfatmosphäre wie in vergangenen Zeiten, ganz wunderbar.
Mukuzani: den gleichnamigen Wein haben wir schon getrunken. Hervorragendes Stöffchen! Jetzt geht´s los! Wo ist die kleine Weinschänke?
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Vielleicht hätten wir die Jungs auf der Mauer fragen sollen……keine Schänke weit und breit……stattdessen ein für uns schwer zu deutendes Stalindenkmal.
Viele Hinweisschilder zu Weingütern. Kann es sein, das nur dort die romantischen Schänken sind? Das haben wir uns ganz anders vorgestellt. Gegen 17 Uhr kommen wir nach Tsinandali. Tsinandali Weißwein schätzen wir sehr. Der wird doch sicher irgendwo ausgeschenkt? Nichts zu sehen….
Wir sind müde von der langen Fahrerei und der Hitze, wichtiger als eine Wirtschaft wird jetzt ein Übernachtungsplatz.
Wie ist es mit dem Parkplatz vor dem Alexander-Chavchavadse-Museum? Chavchavadse war eine schillernde Figur des 19.Jhd. General und einflussreicher Dichter. Er brachte europäische Errungenschaften nach Georgien wie die Pferdekutsche oder Billiard. Als Leutnant-General diente er der russischen Armee und unterstützte gleichzeitig georgische Rebellen gegen die russischen Gesetze.
Leider ist der Parkplatz vor dem Museum sehr klein und direkt an der Strasse, nichts für uns heute Nacht. Aber hinter dem Gelände ist ein großer Parkplatz bei einem Resort eingezeichnet. Wir biegen ab in die schmale Gasse.
Der große Parkplatz ist mit einer Schranke versehen….nur für Resortgäste. Flop Nr 1.
Geradeaus soll das Tsinandali Weingut liegen. Wir kurven durch ein Waldstück, da hinten sind Gebäude. Eher eine kleine Lagerstätte. Könnte man parken….ein Wachmann eilt herbei: „No parking!“ Flop Nr 2.
Ein Stück zurück, rechts führt ein Feldweg in die Landschaft, vielleicht dort am Wegrand.
Einen Wegrand gibt es nicht, nur Zäune. Dann stehen wir vor einem Wanderpfad, links davon ein großes Spa-Hotel…..No Parking! Flop Nr 3
Wieder zurück in eine der Gassen zur Hauptstrasse, Rappelkiste passt gerade so durch
Und da passiert´s! Vor einem Haus hängt die Stromleitung so tief über die Strasse, daß wir hängenbleiben! Im letzten Moment stoppen wir – die straff gespannte Leitung hängt an der Dachluke fest.
Während wir nach einem Ast oder so etwas suchen, um das Kabel zu befreien, kommt schon die Hausbewohnerin herbei. Sie hat die passende Astgabel gleich mitgebracht. Sie kennt das wohl schon….
Gekonnt drückt sie das Kabel nach oben und befreit uns aus der misslichen Lage. Als wir uns 1000mal bedanken, winkt sie fröhlich, als wär nix gewesen und geht wieder in ihr Haus.
Misstrauisch begutachte ich jetzt jede Gasleitung und jedes Stromkabel über der Strasse. „Passen wir da durch?“ „Ja, sicher…“ sagt Martin.
So, wo parken wir denn nun? Direkt an der Hauptstrasse liegt das Weingut von Shumi. Daneben ein Kiesparkplatz, wir halten hier. So direkt an der Strasse? Pffffff……ach nee, ein paar Meter weiter können wir erneut abbiegen und folgen einem Flusslauf. Da finden wir bestimmt was lauschiges am Wasser…..
Vor allem finden wir viel Müll…..und keinen schönen Platz. Flop Nr 4
Zurück zum Shumi Parkplatz. Ein paar Männer sitzen auf der Mauer: „What you want?“ ruft einer. „Sleep?“ fragt Martin. „No Problem, you are welcome!“ Nach all den Flops ist es hier doch recht nett. Für eine Nacht voll in Ordnung.
Weingut Shumi….was ist das überhaupt? Oh! Ein Weinladen? Oh! Eine Weinbar? Genau das, was wir gesucht haben! Und noch geöffnet!
Ein Weg führt durch einen Wingert, reihenweise Weinstöcke, jede Reihe eine andere Traubensorte, wie kleine Schilder verraten. Unter anderem auch mehrere „unknown varieties“. Vor jeder Rebenreihe blühen wundervolle Rosen.
Der Garten ist liebevoll angelegt mit Brunnen und Skulpturen, überall Blumen und mittendrin die Weinbar. Gregori begrüßt uns, wir bestellen eine kleine Weinprobe, die er detailliert und sehr enthusiastisch begleitet. Hochinteressant!
Dazu werden georgische Kleinigkeiten gereicht. Ein exzellenter Ziegenkäse und Tschurtschskhela, Walnüsse, überzogen mit Traubensaft Kuvertüre. Köstlich….
Georgien blickt zurück auf eine 8000 Jahre alte Weinkultur, die älteste Europas. Die uralten traditionellen Keltermethoden im Tongefäss wurden seitdem ununterbrochen fortgeführt. Gelesen wird weiterhin nur von Hand, keine Maschine rüttelt hier die Trauben vom Stock.
Vor allem der Qvevri Mtsvane überzeugt uns. Sein intensiver, kräftiger Duft und Geschmack und seine Farbe. Das warme Orange schimmert in der Abendsonne.
Wir bestellen nochmal nach, genießen später den hauseigenen Portwein und einen Brandy und erholen uns vom Fahrtag.
Genau so etwas hatten wir uns erhofft: in schöner Umgebung sitzen und gepflegt Wein trinken…..
Der kleine Shop hat noch geöffnet, aber den heben wir uns für morgen auf.
Zurück auf unserem Kiesparkplatz sitzen wir noch eine Weile auf der Treppe. Dunkle Wolken ziehen auf, es wird endlich etwas kühler draußen.
Heute Abend haben wir eine Menge wissenswertes über georgischen Wein, die speziellen Kelterverfahren und den hiesigen Weinanbau gelernt. Das alles hier aufzuzählen, führt zu weit. Wer mehr über das Shumi Weingut wissen möchte, kann unter „Shumi Winery“ im Internet nachschauen. Dort wird sehr gut und ausführlich über georgischen Wein und die Traditionen berichtet.
Bei Shumi haben wir einen Volltreffer gelandet, finden wir.
Morgen werden wir ein paar Lari in georgischen Wein investieren, uns einen kleinen Vorrat mitnehmen.
Bis dann, liebe Grüße!
Julia & Martin
Drink positive!
Auf Instagram: Rappelkisteberlin
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