Leichter Regen, grauer Himmel, ganz schön kalt. Zwanzig Minuten zu Fuß sind es bis nach Chakvi, einer kleinen Stadt an der Hauptstrasse. Ein gut gelaunter Händler verkauft uns aus dem Kofferraum seines Pkw zwei Sorten selbstgemachten Käse.
„Dresden? Leipzig? Ah Berlin, gut!“
An einem Gemüsestand kaufen wir Weintrauben – wo kommen die zu dieser Jahreszeit her?
Bisher hat uns der georgische Wein noch nicht voll überzeugen können. In einem der vielen Minimärkte holen wir Butter und die nächste Probeflasche Rotwein.
Im Schaufenster eines Ladens wächst ein Dschungel aus Grünpflanzen. Dazwischen Heiligenbilder, brennende Teelichter – und ein paar Brote? Merkwürdige Kombination, das Brot sieht sehr gut aus, wir nehmen eines mit.
Zurück im Steyr gibt es Frühstück. Das Brot schmeckt getoastet ganz ausgezeichnet! Und der Käse! Lecker!
Die Sonne und die Skyline von Batumi sind hinter dichtem Nebel verschwunden. Dann und wann rattert ein Zug vorbei, manchmal dauert es über eine Minute, bis der letzte Waggon durch ist.
Nicht viel zu tun. Lesen, Kuchen backen, Tee trinken, Kuchen aufessen. Tut richtig gut, so ein Tag.
Für die ganze Woche ist Regen angesagt, da bietet sich ein Stadtbummel an.
Am nächsten Morgen fahren wir zurück nach Batumi.
Immer noch Nebel. Vor dem Riesenrad befindet sich ein großer Parkplatz in Meernähe. Für 10 Lari = ca 3,-€ pro Tag quartieren wir uns ein.
2 Wohnmobile und ein Offroader sind unsere Nachbarn.
Einmal über die Strasse und schon wandern wir durch die Altstadt von Batumi.
Zauberhaft!! Die kleinen Häuschen, davor Palmen, kunstvoll geschmiedete Gitter, das Apolllo Kino im Jugendstil, grüne Hinterhöfe – entzückend!
Wir besichtigen die astronomische Uhr, bewundern die Holzfenster, die verzierten Dächer. Dazwischen Hochhäuser im Sowjetstil und Neubauprojekte. Wie lebendig das Stadtbild dadurch wird! Überall gibt es etwas zu entdecken!
Unter dichten Laubkronen schlendern wir die Gassen entlang. Die Geschäfte sind nach Themen sortiert: in einer Gasse sind nur Schuhgeschäfte, in der nächsten ausschließlich Kleidung, dann eine Optikergasse. In einem Schaufenster liegt eine tolle Sonnenbrille, ich probier die mal…
Der ganze Laden hängt voll Edelmarken, Prada, Gucci, Lagerfeld, Dior etc. „This is all fake label!“ erklärt die Verkäuferin ganz offen. Alles Fälschungen.
Die Sonnenbrille steht mir überhaupt nicht, schade!
In der nächsten Gasse liegen dicht an dicht winzigste Läden, höchstens 4 – 6 qm groß: Uhrmacher oder Handyreparaturläden. Die Reparateure sitzen an zwergenhaften Tischen im Schaufenster, man schaut ihnen bei der Arbeit zu. Dann kommen die Simcardläden, das trifft sich gut!
Unser Internetkontingent ist schon wieder fast alle. Im Geocell Laden fragen wir nach. „10 Lari für die Simcard und dann 30 Lari für 30 Tage unlimited GB“ bietet er uns an.
WHAT?!
30 Lari sind ca 10,-€!!! Unlimited!!! Für 30 Tage!!! Merkt ihr was, deutsche Telefonanbieter??
Ein Traum!
Klassizismus neben Jugendstil à la Gaudi: der Putz der Balkons ungleichmäßig wie mit bloßer Hand aufgetragen, organisch, lebendig. Die Strassenlaternen passen zu den Häusern.
Wir linsen mal in die Häuser und Hinterhöfe hinein….
An einer stark befahrenen Hauptverkehrststrasse erwartet uns eine besondere Herausforderung: wie kommt man da rüber? Fußgängerampeln oder Zebrastreifen gibt es hier nicht. Wie machen das denn die Batumier?
Sie laufen einfach los! Mutig! Okay, dann hinterher, volles Risiko!
Sehr unangenehm: die Autos halten nicht an, sie verlangsamen nur etwas ihre Fahrt. Grundsätzlich wird sehr schnell gefahren. Zwischen den Autos hindurchzuschlüpfen klappt gut, aber es ist durchaus beängstigend!
In einem Minimarkt kaufen wir winzige Kartoffeln und Joghurt, abgefüllt in Plastikbechern. Wir sollen unbedingt zwei Sorten kaufen. Ein hellweißes und ein leicht karamelliges. Warum? Nicht leicht zu erklären, der Verkäufer zeigt auf das eine und schüttelt den Kopf, dann auf das andere, ebenfalls Kopfschütteln. Er macht Rührzeichen und nickt, Daumen hoch! Aha, wir sollen die beiden Sorten vermengen für den optimalen Genuß. Okay, dann machen wir das!
In diesem Viertel mischt sich groß und klein, häßlich und schön.
Begeistert bewundern wir die Vielfalt und die Fantasie beim Extraausbau der Wohnungen. Zum Beispiel das Bad mit Direktrohr in die Kanalisation der Strasse, das sich jemand drangeklebt hat. Sehr individuell!
Hunger! Im Adjarian Khachapuri House bestellen wir uns ein kleines Khachapuri, eine Spezialität der georgischen Küche.
Ein helles Hefeteigbrot in schiffchenform. Gefüllt mit dreierlei geschmolzenem Sulguni – georgischem Käse – darauf ein Spiegelei. Man gibt etwas Butter dazu, verrührt das Ei mit dem Käse und löffelt alles mit den Brotenden aus.
Große Klasse! Vielleicht etwas mächtig – gut, daß wir jeder nur ein kleines bestellt haben. Satt sind wir jedenfalls mehr als genug.
Der Stadtrundgang geht weiter….
Das Nebeneinander von Glanz und Schmuddel, das Durcheinander der Baustile haut uns um. Großartig!
Batumi hat blitzschnell unser Herz erobert.
Jetzt könnten wir mal was trinken, wo findet sich denn eine nette Pinte?
Die erste ist ein Souvenirshop mit Ausschank. Ganz okay.
Aber das „Sinbin“ ein paar Gassen weiter ist die Erfüllung unserer Träume!
Klein und verlebt, gute Musik, ein vorzüglicher Rotwein! Was will man mehr? Der junge Kellner hört uns deutsch sprechen und legt Rammstein auf. Süß, oder?
Glücklich und zufrieden bummeln wir nach Hause, entdecken unterwegs einen kleinen Plattenladen. Stilrichtung etwas unklar, 4 Turntables, 3 Jungs und ein Sofa. Wir stöbern nach landestypischer Musik. Martin sucht georgischen Punk, ich eher was Folklorepoppiges.
„Der erste und einzige Plattenladen in ganz Batumi!“ verkünden die Jungs stolz. Bei den gebrauchten findet Martin eine Lp, die ihn interessiert.
„Was kostet die?“ „Hm, weiß nicht, wir haben erst seit zwei Wochen auf…“ Nette Jungs mit wenig Ahnung…aber auch süß….
Neugierig spähen wir in eine Kellerbackstube. Dort steht ein gemauerter Tonnenofen. Hier werden die berühmten Tonbrote gebacken. Feuer heizt den Backofen, der Bäcker taucht kopfüber tief hinein und klatscht den Brotteig an die Ofenwand. Nach ein paar Minuten spießt er die „Klatschbrote“ auf den Haken eines langen Stiels und holt sie raus. Heiß und duftend. Das müssen wir morgen früh unbedingt kosten.
19 Uhr, zum Sonnenuntergang sitzen wir draußen auf der Rappelkistentreppe.
Die Dämmerung färbt den Himmel rosa.
Der Parkplatz befindet sich zwischen Schwarzmeer und Altstadt, inmitten der modernen Architektur. Das Gondelrad des 200 Meter hohen Batumi Towers bewegt sich leider nicht.
Als es dunkel wird zündet Batumi die Abendbeleuchtung. Der Alphabet Tower veranstaltet eine große Lightshow mit Farbwechseln, funkeln und glitzern, das Riesenrad blinkt aufgeregt.
Schön hier. Batumi gefällt uns sehr!
Zum Frühstück rühren wir die beiden Joghurts zusammen. Eines ist säuerlich, normales Joghurt, das andere fest wie dicke, saure Sahne. Zusammengerührt der absolute Genuß!
Im „Deliria“ gönnen wir uns ein Hörnchen.
Eine Kundin dreht sich plötzlich zu uns und sagt: „ich höre deutsch!!“
Wir kommen ins Gespräch. Sie lebt seit Oktober hier. „Schwierig, die Stimmung ist schlecht. Die Georgier gehen in den Westen, die Russen kommen hierher. Die Batumier verlieren ihre Wohnungen, weil die Russen mehr bezahlen können. Mietrecht gibt es nicht.“ Sie empfiehlt uns noch Kutaissi und Kazbegi, dann verabschieden wir uns und streifen weiter durch die Stadt.
Am Strassenrand wächst wilder Wein, den sich die Hausbewohner quer über den Bürgersteig zu den Balkons gezogen haben.
Stromkabelwirrwarr in den Hauseingängen, Second Hand Läden, Schaufensterdeko, die vielleicht schon etwas zu lange im Fenster steht. Gebäude, bei denen man nie vermuten würde, daß dort jemand wohnt. Und die hochmodernen Bauten der Stararchitekten.
Wieder zögern wir vor einer 4-spurigen Hauptverkehrsstrasse, aber diesmal gibt es Zebrastreifen. Das sollte doch ein Leichtes sein!
Irrtum! Zebrastreifen sind ja nur lustige Muster auf dem Boden, deswegen bremst doch niemand!
Aber sie lassen uns am Leben….
Ein schöner Weg um den Stadtsee herum, vorbei an einem kleinen Zoo.
Durch grüne Alleen führen die Wege zur Strandpromenade, vorbei am beeindruckenden Holzpalast des Sommertheaters.
Über 7 Kilometer erstreckt sich die Promenade. Ein paar Spaziergänger sind unterwegs, ein paar Jogger, auf den Bänken sitzen Leute und lesen. Wir trödeln zurück zur Rappelkiste.
Martin sitzt draußen und hört im Berliner Radiosender Liga Live – die Bundesliga Konferenz. Unlimited Internet macht´s möglich.
Für heute ist Schluß, statt der Sterne funkelt der Alphabet Tower zum Feierabend.
Bis bald, liebe Grüße!
Julia & martin
Drink positive!
Auf Instagram: Rappelkisteberlin
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