Eine tiefhängende Dunstglocke verhüllt am Morgen die Dörfer im Tal.
Früh verlassen wir die schöne Wiese. Ein Blick nach Süden, da hinten sind wir gestern entlanggeschaukelt, jetzt geht´s in die Gegenrichtung.
Die Strecke ist in gutem Zustand, zwischen Raps- und Getreidefeldern kommen wir flott voran.
Ein Wachposten beobachtet die Gegend. Im Tal vor uns liegt Lormughanlo, ein Teil von mehreren ineinander übergehenden Siedlungen.
Die Wiesen sind voller Müll, in den Zäunen wehen Plastikfetzen im Wind. Willkommen in der Zivilisation.
Große Bauernhöfe mit verzierten Dächern, verborgen hinter hohen Mauern und massiven Toren.
Ein wenig Durchfädelei durch die Gassen, danach geht es schnurgerade zur Landstrasse nach Dedoplistskaro.
200 Meter hinter dem Ortsausgang findet ein großer Markt statt. Das passt perfekt, wir müssen dringend einkaufen.
Ein Erlebnis. Das Gemüseangebot sieht erstklassig aus. Die Marktleute sind erstaunt, hier kaufen nicht so oft Touristen ein.
In einer großen Halle werden Schlachtteile verkauft. Ein Huhn liegt auf dem Verkaufstisch oder einzelne Fleischstücke. Unter den Tischen lecken wilde Hunde die mit Blut vermischten Wasserpfützen leer. Ganz hinten sind die Käseverkäuferinnen. Wir probieren. „Tourist?“ fragt eine und bietet uns noch mehr Probestücke an. Ihre Kolleginnen kommen dazu. Der Käse schmeckt vorzüglich, wir möchten ein Stück.
Verwirrung bricht aus, als wir klarmachen, das wir nicht den ganzen Käse kaufen wollen, auch nicht den halben. Nur ein Viertel. Und das ist eigentlich schon zuviel für uns. Die Marktfrauen lachen und machen Witze. So wenig? Das ist nicht üblich.
Kaum ist das Viertel verpackt und bezahlt, winkt die Verkäuferin ab und schenkt uns das andere Viertel dazu. Dankeschön! Nun haben wir weit mehr als genug, mal sehen, was wir mit dem vielen Käse machen.
Mit vollen Taschen wandern wir zurück zum Steyr. Die Männer machen Daumen hoch, einer schleppt einen schweren Mehlsack, nimmt sich aber trotzdem die Zeit mit uns zu plaudern.
Ab auf die Schnellstrasse nach Dedo. Bei Tempo 75 km/h fliegen die Felder und Weinberge nur so vorbei, voller Geschwindigkeitsrausch.
Kvemo Magharo heißt der kleine Ort, in dessen Tonofenbäckerei wir 3 frische, warme „Klatschbrote“ erstehen.
Der Chef isst gerade selber gerade eines und winkt den Assistenten herbei zum bedienen. „American?“ will er wissen – nein Germani. „Okay!“
Bis zum Abzweig zum Vashlovani Nationalpark haben wir ein Brot schon aufgegessen, so gut! Noch ein paar süße Erdbeeren dazu, ein Top Frühstück!
Schmucke Bauernhäuser säumen die Landstrasse.
Noch 25 Kilometer bis Dedoplistskaro. Eine fahnengeschmückte Allee führt in die fast 6000 Einwohner zählende Stadt, dem Verwaltungssitz der Region.
Das Vashlovani National Park Visitor Center ist leicht zu finden. Drei Leute sind vor uns im Center und füllen Anträge aus. Wir brauchen ein Permit für die Tage im National Park und vor allem die Erlaubnis der Grenzpolizei, da wir uns sehr dicht an der azerbaidjanischen Grenze entlang bewegen werden. Die drei vor uns sind aus Polen, einer trägt Jägerkleidung und einen Schmetterlingskescher. Vor dem Foto des Kaukasusleoparden frage ich ihn auf englisch, ob er den mit dem Netz fangen möchte? „Ich spreche deutsch, ich bin aus Oberschlesien“ sagt er. Unsere Eltern auch, so haben wir sofort eine Gemeinsamkeit.
Seine Freunde und er sind Entomologen, Insektenforscher. Sein Spezialgebiet: Federflügler und fliegende Ameisen. „In Georgien können wir noch richtig forschen, ein Traum!“ sagt er. Letztes Jahr hat er mit einem Kollegen gemeinsam eine neue Ameisenart entdeckt, die jetzt nach ihnen benannt wird. Oho! Begeistert weiht er uns ein in sein Forschungsgebiet und es ist wirklich interessant!
„Im Kaukasus“ sagt er „leben viele noch unbekannte Arten.“
So vergeht die Zeit schnell. Zack, sind wir dran. Ein 8-seitiges Formular ist auszufüllen. Dank Nino, der genialen Büroleiterin, kein Problem. Pässe, Einreisestempel und Fahrzeugpapiere werden kopiert.
Es folgt eine eindringliche Warnung vor Giftschlangen, wie der Sandviper, der giftigsten Schlange Mitteleuropas. „Sie erwachen jetzt aus dem Winterschlaf und sind besonders angriffslustig“ warnt Nino. Zur eigenen Sicherheit sollen wir nur bei den Ranger Stationen übernachten.
Der Ranger kommt, hat draußen den Steyr entdeckt. „Euer Auto ist sehr groß, ihr könnt nicht überall hinfahren“ verkündet er. Was?!
Die Pisten nach Black Rock und Mijniskure am Alazani Fluss sind für unsere Rappelkiste zu eng. Wir würden den Wald beschädigen, Äste abreißen zum Beispiel, befürchtet er. Eine große Enttäuschung, der gesamte Ostteil ist uns versperrt.
Naja, es bleibt ja noch genug übrig. Wir besprechen unsere Route.
Nino zeichnet drei Ranger Stationen auf der Karte ein, bei der dritten ist sie nicht ganz sicher über den Standort. Wir buchen für 7 Nächte. Pro Nacht 10,-Lari für 2 Personen und einmalig 5,-Lari für die Rappelkiste. Zu zahlen sind 85,-Lari, da muß noch irgendeine versteckte Sondergebühr dabei gewesen sein….
Immer noch unter 30,-€. Voll in Ordnung. Mit unserem Papierbündel müssen wir jetzt zur Grenzpolizei, ein paar Strassen weiter.
Dort geben wir am Tor alles ab, wir sollen warten.
Mittagszeit, ungünstig. Mit uns warten Franzosen, sie sind schon seit einer Stunde hier. Oh…
Nach 15 Minuten wird Martin zum Tor gewunken, alles klar! Wir haben Aufenthaltserlaubnis für den Vashlovani und den Chachuna Nationalpark bekommen!
Die Franzosen warten immer noch….
Im Supermarkt bunkern wir für eine Woche ein, denn im Nationalpark gibt es nichts zu kaufen und vor allem: kein Wasser!
Das Gemüse wird an einer extra Kasse bezahlt und es gibt eine bemerkenswert saubere Fleischabteilung.
Raus aus Dedo und auf die Landstrasse. Der Nationalpark ist ungefähr 47 Kilometer entfernt.
Vashlovani Park geradeaus → das bedeutet, weg vom Asphalt auf die Piste. Ohne Allrad darf man den Nationalpark nicht befahren. Eben noch über die Landstrasse gesaust, bremsen wir jetzt runter auf 10km/h.
Endlich bekommen wir die schillernden Bienenfresser vor die Linse. Schon so oft gesehen und nie erwischt. Metallisch blau und kupferfarben glänzen ihre Federn in der Sonne.
Statt, wie geplant, den Abzweig nach Süden mittenrein ins Gelände zu nehmen, entschließen wir uns, weiter geradeaus zu rumpeln. Angesichts der fortgeschrittenen Tageszeit und des Pistenzustandes siegt die Vernunft, seufz…..
Wolken spiegeln sich in den großen Pfützen. Frösche springen eilig beiseite, dunkler Schlamm sprudelt unter den Reifen. Im Schritttempo zuckeln wir an blühenden Wiesen und Feldern entlang. Eisern geradeaus.
Lautes Vogelgezwitscher tönt durch die offenen Fenster, jeder Baum ist voller Nester.
Es müssen hunderte Vögel sein. Bussarde kreuzen unseren Weg.
Große Schwärme von Rosenstaren ( jetzt wissen wir endlich, wie diese Vögel heißen….) sausen hin und her. In der Ruine in Udabno haben wir sie schon kennengelernt.
Nach 15 Kilometern Geradeausgezuckel biegt bei Kasristskali die Piste ab nach Süden. Weiter Hügel auf- und abwärts.
Na, Mädels? Wohin des Weges?
Hinein in die grüne Unendlichkeit…..das Camp ist immer noch nicht in Sicht…
Vielleicht hinter dieser Kuppe?
Nein….wieder nicht….
Ein weiches Vlies aus langen Gräsern und Weizen bedeckt das Gelände, Wind streicht sanft über die Halme, wunderschön…..
Zur Abwechslung erstreckt sich neben der Piste mal eine Yucca Palmenplantage.
Die Rappelkiste tönt plötzlich lauter. Uns ist klar: der Hühnersuppendosenverband um den gebrochenen Auspuff hält nicht mehr….
Nach 10 Kilometern kommt endlich das Eingangstor zur Ranger Station. Angekommen! Vier Stunden Gewackel und Geschaukel sind geschafft!
Hier bleiben wir über Nacht.
Wir treffen den Ranger. „Stellt euch wohin ihr möchtet“ sagt er. Prima!
WOW! Ein spektakulärer Blick über den Vashlovani Park bis nach Azerbaidjan.
Vor dem Feierabend wird noch der Auspuff inspiziert, ja, die Dose hat ausgedient.
Wann haben wir sie eingebaut? Noch weit vor dem Goderzi Pass. Georgien – Entlang des Adjari Tskali zum Goderzi Pass 08.05.2022 – 09.05.2022
Über 570 Kilometer hat sie tapfer durchgehalten! Bravo!
Darum kümmern wir uns morgen. Jetzt erstmal ein kleiner Rundgang, als Ausgleich zum langen sitzen.
Im Norden schimmern die Gipfel des Hohen Kaukasus.
Die Grasflächen wirken wie samtiger Golfrasen.
Im Schatten der Bäume wartet die Rappelkiste.
Es ist immer noch sehr warm draußen. In der Abendsonne entspannen wir uns vom langen Fahrtag.
Könnte sein, daß wir morgen hierbleiben und den Tag beim Ranger Camp verbringen. Mal sehen…
Liebe Grüße, bis bald!
Julia & Martin
Drink positive!
Auf Instagram: Rappelkisteberlin
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