Griechenland: Jahresende 2020

Veröffentlicht in: Aktuell, Allgemein, Griechenland | 5

Nur noch wenige Tage bis Weihnachten. Wir basteln Christbaumschmuck. Maren zaubert aus Papiertüten große Weihnachtssterne. Am Strand gesammelte Seegraskugeln überziehe ich mit den schlappen Luftballons von Dim`s Geburtstagsparty. „Ein bißchen wie Ostereier aber schön bunt“ sagt Maren.

Aus Mehl und Wasser rühre ich eine Pampe an und bestreiche damit die kleineren Seegraskugeln, Rote Beetesaft färbt ein paar rosa. Sylvia schneidet Sterne aus Apfelsinenschalen. Fehlt nur noch der Weihnachtsbaum. Übergangsweise wird die kleine Pinie in unserem Vorgarten vorweihnachtlich geschmückt.

 

„Kommendes Wochenende ist bei uns Olivenernte, kommt ihr mit?“ fragen Sarah und Patrick. Na klar! „Treffpunkt um 7 Uhr in Kaló Neró!“

„Oh, ähhhhh, so früh? Nein…..also da ist es ja noch dunkel, wir kommen so gegen 8“.

Wie fahren wir da hin? Am besten mit einem kleineren Auto als unserem Steyr. Ob wir mal Ingrid fragen sollen? Ihr „Seppi“ ist ein paar Kilometer weiter abgestellt, bis sie aus Deutschland wieder herkommen kann. Martin ruft an, fragt und Ingrid leiht uns ihr geliebtes Auto sofort her! Das ist sehr großzügig von dir, liebe Ingrid!!

Am frühen Samstagmorgen rumpeln wir über Schotterwege mit dem „Seppi“ in die Hügel oberhalb des Nedaflusses zum Olivenhain von Sarah und Patrick. Mathias ist mit dabei, von Olivenernte haben wir alle keine Ahnung.

Ein Höllenlärm empfängt uns. Es herrscht bereits große Geschäftigkeit – als Brücke über den Bach dient der Anhänger, unter den Bäumen liegen große Netze, ein Generator dröhnt, die elektrischen Olivenkämme rotieren, eine Motorsäge fährt kreischend durch die Äste.

Wir sind 7 Leute. Dimitris, unser Fachmann, erklärt uns, was wir zu tun haben. Er sägt Zweige aus dem Geäst für mehr Licht und Luft in den Baumkronen. Wir schnappen uns die großen Gabeln und klopfen mit kräftigen Schlägen die Oliven aus den abgesägten Ästen. Abwechselnd übernimmt jeder mal die schweren Stangen mit den Motorkämmen. Die Arbeit über Kopf mit den Dingern geht in Arme und Genick. Kaum ist ein Baum abgeerntet, kommen wir mit großen Rechen und harken die meisten der Blätter und Zweiglein aus den Oliven. Mit den Händen werden die Früchte in die Säcke geschaufelt. Die Motorkämme streifen bereits durch die nächsten Baumkronen. Kaum ist alles eingesackt, rollen wir die schweren Netze zusammen und schleppen sie zu den nächsten Bäumen. Tempo, Tempo, Dimitris treibt uns an. Wir haben ca 40 Bäume zu ernten und nur 2 Tage Zeit.

Eine kurze Kaffeepause, später eine Mittagspause, Sarah hat für alle gekocht, sehr lecker! Wir machen es uns gemütlich.

Nur nicht zu gemütlich: „Let´s go, we have a lot of work“ Dim feuert uns an, Pause vorbei, wir haben noch viel Arbeit vor uns!

Der Duft von Olivenöl liegt in der Luft, unsere Kleider sind ölig. Die winzigen Oliven sind hart wie kleine Steine. „Hab ich ein blaues Auge?“ frage ich Martin, als mir eine direkt aufs Auge fällt. Nein, zum Glück nicht. Das hat echt wehgetan! Schutzbrille wäre gut, aber die beschlägt ständig und ich sehe die Oliven in den Ästen nicht mehr. Alle haben gute Laune, es ist eine anstrengende und trotzdem sehr schöne Arbeit. Die Teppichklopfer schlagen unerbittlich auf die Zweige, die Maschinen rattern und dröhnen, die Säcke füllen sich. Um halb 5 ist Feierabend und 24 Säcke sind voll. Jetzt noch alles nach vorne schleppen und aufladen. Den schweren Hänger aus dem Wasser zu ziehen ist für Patrick´s Düdo nicht so einfach, aber mit einem kleinen Seiltrick klappt auch das. Müde, zufrieden und bestens gelaunt fahren wir nach Hause, bis morgen!

Sarah und Patrick bringen den ersten Teil der Ernte noch zur Ölmühle. Dort bekommen die Säcke ein eigenes Label, damit nichts vermischt wird. Jede Lieferung wird gesondert gepresst. Patrick soll seinen Namen buchstabieren, der Ölmüller hört zu, nickt und schreibt „Germans“ auf das Schildchen.

Am frühen Morgen geht´s weiter.

4. Advent, der zweite Tag im Olivenhain. Kein Muskelkater, aber die Finger tun weh. Tautröpfchen sprühen uns ins Gesicht als wir die Motorkämme durch die Zweige ziehen. Kurzzeitig wird´s schwierig, als der Keilriemen des Generators reißt. Die Motorkämme fallen aus. „We do it oldschool!“ ruft Dim. Mit den langen Forken schlagen wir die Oliven aus den Baumkronen. Wie mühselig! Bei jedem Schlag rieseln nur wenige Früchte in die Netze.  Mit „oldschool“ werden wir niemals heute fertig….Ingo düst nach Giannitsochori und besorgt einen neuen Keilriemen. Der Generator springt an und die Maschinen laufen wieder, ein Glück! Am späten Nachmittag haben wir es geschafft! Der letzte Baum ist abgeerntet, der letzte Sack gefüllt und alles verladen.

Dimitris ist sehr stolz auf uns – seine Anfängertruppe – und wir sind es auch! Und müde und die Hände tun weh. „Ich hab Rücken“ sagt einer. „Ich hab Körper!“ antwortet ein anderer. Aber alle sind glücklich!

Diesmal ist der Hänger so schwer, daß die Deichsel mit dem Schwerlastwagenheber von Ingo angehoben werden muß. Der Düdo kann den Hänger trotzdem nicht aus dem Bach ziehen. Die Reifen drehen durch, finden keinen Halt auf dem schlammigen Weg. Der Hilux von Ingo muß ran. Ein Kinderspiel für die 150 PS! Der merkt das gar nicht!

Bevor wir nach Hause fahren, sitzen wir zusammen im Matsch und trinken ein Bier auf die erfolgreiche Ernte. Ermattet vom arbeitsreichen Wochenende fallen wir beide früh ins Bett.

Sarah und Patrick bringen die letzten Säcke noch zur Ölmühle. Sofort beginnt die Verarbeitung, nur wenige Stunden nach der Ernte sind ihre Oliven zu wunderbar grünem Öl verarbeitet.

Ein optimaler Säuregehalt: 0,3 ! Wir sind alle so stolz darauf!

 

 

 

Am nächsten Tag ist Wintersonnenwende, erst um kurz vor halb 9 lugt die Morgensonne hinter dem Berg hervor, der kürzeste Tag des Jahres beginnt. Auf dem Herd simmert ein Riesentopf Kürbissuppe für abends, wir haben Gäste eingeladen.

Zum letzten Wintersonnenuntergang versammeln wir uns am Strand. Nach der längsten Nacht des Jahres wird morgen die Frühlingssonne wieder aufgehen. Zeit für ein kleines Ritual: jeder nimmt ein wenig Sand in die Handfläche und denkt sich einen Wunsch. Fertig? Weiß jeder einen Wunsch? Ich zähle bis 3, dann pusten alle den Wunsch in den Sand und in die Welt hinaus…..1 – 2 – 3 – pusten!

„Und jetzt sagt jeder was er sich gewünscht hat!“ ruft Dimitris. Oh nein, das bleibt ein Geheimnis!

Zurück in der Kantina löffeln wir die heiße Suppe. Wie immer haben alle essen und trinken mitgebracht, wir tafeln ausgezeichnet. Sarah und Patrick stellen das frische Öl auf den Tisch, wir probieren unser erstes selbst geerntetes Öl. Hervorragend! 3 verschiedene Geschmackserlebnisse: die grüne Fruchtigkeit, eine etwas stärkere Bitterkeit, dann eine mildere Schärfe als von Dim´s Öl, jeder Olivenhain liefert sein einzigartiges Öl. An der Feuertonne beschließen wir den Abend.

3 Tage später, es ist Heiligabend und wir haben noch keinen Weihnachtsbaum. Maren baut aus Bambus ein Gestell, ich flechte Pinienzweige ein. Am Schluss noch der Stern aus Papier auf die Spitze, die Kugeln, Zapfen und Sterne aufgehängt: grün, buschig und geschmückt steht er da, kann sich sehen lassen, oder?

Unser zweites Weihnachtsfest in Griechenland. Wir planen ein klassisches Weihnachtsessen: Kartoffelsalat mit Würstchen. Unsere vegane Bratwurst können wir hier nicht kaufen, kein Problem, wir produzieren selbst. Ist sowieso besser. Martin und ich kneten, rollen und dämpfen 16 Bratwürste. Nicht nur für uns allein, wir erwarten ein paar Leute zum Essen. ( Ja, Bratwurst mit Fleisch gab´s auch ) Jeder soll Kartoffelsalat mitbringen, so werden wir mehrere verschiedene Sorten haben. Im Ofen backt ein Früchtekuchen, Martin sägt mit Alfred Feuerholz, anschließend schälen wir Kartoffeln, machen eine Riesenschüssel Kartoffelsalat, räumen alles wieder auf und da sind auch schon unsere ersten Gäste mit ihren Hunden. Herzlich willkommen!

Die Hunde stürzen sich sofort auf unseren Weihnachtsbaum. Naaaiiiiinnn! Bitte nicht! Flocke und Tilda möchten gießen, Kaló klaut eine Mehlpampenkugel und möchte sie aufessen. Chaos! Krawall und Remmidemmi! Es dauert etwas bis alle eingefangen und beruhigt sind, dann setzen wir uns an die lange Tafel. 6 verschiedene, köstliche Kartoffelsalate stehen auf den Tischen, alle essen und quatschen, unser Christbaum leuchtet!

Frohe Weihnachten!

Nachher sitzen wir in großer Runde am Feuer und erzählen Geschichten. Am Himmel leuchten Jupiter und Saturn, so dicht nebeneinander wie erst in 400 Jahren wieder. Es ist spät geworden, unsere Gäste verabschieden sich. Wir bleiben noch am Feuer, nur unsere kleine Lkw-WG. Irgendwann in der Nacht sage ich: „ich hätte direkt Lust schwimmen zu gehen…“ Maren und Alfred sind sofort dabei. Schnell ein Handtuch geholt und schon rennen wir runter zum Meer und stürzen uns in die Wellen. Großartig! Es ist kühl, aber nicht kalt. Das Mondlicht schimmert auf dem Wasser. Noch nie zuvor in unserem Leben sind wir am 24. Dezember im Meer schwimmen gewesen. Begeistert und erfrischt kehren wir zurück ans Feuer. Danach gibt es noch Bescherung….

Nichts fehlt an diesem Heiligabend, wir finden: schöner kann Weihnachten kaum sein.

 

Den ersten Feiertag vertrödeln wir, das Wetter ist umgeschlagen, draußen ist es grau und nass.

Am zweiten Feiertag ist die WG zum Essen verabredet, wir sind für die Bruschetta als Vorspeise zuständig. Als Hauptgericht gibt es Steinpilzrisotto. Abwechselnd stehen wir am großen Topf und rühren, 2 Stunden lang. Sylvia hat Apfelblätterteigrosen als Nachtisch gebacken. Zuerst sitzen wir noch unter freiem Himmel, aber während des Hauptgangs beginnt es zu regnen, wir flüchten in die Kantina. Gut, das wir sie haben. Nach dem Nachtisch öffnet die Bar: es gibt Sylvia´s selbstgemachten Rhabarberlikör, mmmmmmhhhh sehr gut, und noch ein paar andere ausgewählte Getränke.

Der Regen hält sich in der letzten Jahreswoche eisern, dazu Hagelschauer und starke Windböen mit bis zu 35 km/h. Das Meer schmutziggrau mit weißen Schaumkronen. Hoffentlich wird das besser bis Silvester….

Endlich ein wenig Sonne, wir verbringen einen Abend in Kakóvatos bei unseren Freunden. Geradesoeben passen wir in den Hof. In ihrem Loft kochen wir gemeinsam, die Hunde liegen friedlich auf dem Teppich vor dem großen Ofen. Bis morgens um 4 plaudern wir uns auf den bequemen Sofas durch die Nacht.

Mal woanders übernachten inspiriert. „Ob wir mal ein bißchen weiterfahren sollten, wie geht´s dir?“ fragt Martin. Hab ich auch schon gedacht. Das wäre schön. Am besten gleich im nächsten Jahr….

31.Dezember, wir haben Glück! Der Regen verzieht sich endlich! Der Sturm hat unseren Christbaum erschlagen, das Boot liegt in Fetzen…

„Gab es ein besonderes Highlight für euch in diesem Jahr?“ fragt Alfred. Hm….ja! Das wir fast das ganze Jahr direkt am Mittelmeer gewohnt haben ist ganz sicher ein Highlight dieses Jahres!

Wir treffen uns am Silvesternachmittag, Benemsi hat belegte Brote vorbereitet, wir haben Apfelkrapfen gebacken und Dimitris bringt griechischen Neujahrskuchen mit. Martin mixt uns Apérol Sprizz dazu, lecker! Der kleine Streunerhund ist immer mit dabei, weicht uns nicht mehr von der Seite. Siegfried stoppt auf seiner täglichen Wanderung bei uns und freut sich über die Krapfen. „Immer wenn ick vorbeikomme jibtet wat zu essen, prima!“

Später, beim kochen, öffnen wir unsere letzte supergute Flasche französischen Rotwein aus Richerenche. „Wie toll das wäre, wenn wir dieses Jahr ganz normal nach Frankreich zum Wein einkaufen fahren könnten!“ „Und über den Markt von Apt oder Uzés bummeln!“ Das wär schön!

21 Uhr, alle sitzen schon an der Feuertonne, aber wir haben noch eine Überraschung. Martin baut Beamer und Leinwand auf, es gibt eine kleine Filmvorführung von „Dinner for one“! Das darf nicht fehlen!

Um Mitternacht zünden wir Wunderkerzen, prosten uns zu auf´s neue Jahr. Über Kyparissía steigen ein paar Feuerwerksraketen auf. Ein kurzer Regenschauer jagt uns für 10 Minuten in die Kantina. Aber dann geht die Party richtig los: die Magnum Proseccoflasche wird geleert, Musik läuft, wir tanzen um die Feuertonne und feiern ein zweites Mal Prost Neujahr, als eine Stunde später in Deutschland die Korken knallen.

Adieu 2020, du merkwürdiges Jahr!

Willkommen 2021!

Um 3 Uhr beginnt es plötzlich heftig zu regnen – der Rausschmiß! Wir räumen noch schnell alles zusammen, pitschnass stolpern wir in die Rappelkiste, ein fulminanter Jahresbeginn!

Wir wünschen euch allen ein gesundes, glückliches neues Jahr!

Bis bald, liebe Grüße!

Julia & Martin

Drink positive!

Instagram: Rappelkisteberlin

 

 

 

 

 

 

5 Antworten

  1. Manfred

    Hallo,
    die Ernte sieht gut aus.
    Haben den Tip mit eurer Seite von Ingrid (kennen gelernt in Dakhla) bekommen.
    Gruß aus Berlin
    Anderea und Manfred
    Berlin

    • rappelkiste

      Hallo, liebe Grüße zurück in die Heimat! Haltet durch und bleibt gesund, Julia & Martin

  2. P&P

    Hallo ihr Beiden,

    Immer schön euren Blog zu lesen, vor allem wenn man einen Bezug zu Euch hat (ihr habt uns aus dem Sand gezogen) und zu Elaia Beach (Elaia fährt bei uns im Womo mit).

    Ende Februar haben wir Elaia Beach verlassen, waren dann aber noch bis Ende Mai in Griechenland. Danach haben wir Elaia Nordeuropa gezeigt. Über Polen, das Baltikum und Finnland hoch bis zum Nordkap und dann über Norwegen und Schweden nach Deutschland, wo wir seit Ende Dezember nun gerade sind. Mal schauen, wie es weitergeht. Bisher kaum Einschränkungen durch Corona beim Reisen gehabt, das wird jetzt aber schwieriger. Grüße auch an Patrick. Alles Gute, würde mich freuen Euch mal wieder zu sehen. P&P

    • rappelkiste

      Hallo Peter,
      Elaia und ihr kommt richtig rum. Schön, daß ihr uns immer wieder Gesellschaft leistet über den Blog. Hast du Lust uns ein paar Elaia – Fotos zu schicken? Ich meine von eurem Superhund. Wohnt ihr im Moment auch im Wohnmobil in der Kälte? Seid ihr ja wahrscheinlich gewöhnt von Skandinavien.Wir sind gerade auf der Mani unterwegs, haben uns mal losgerissen von Elea.Liebe Grüße und bestimmt treffen wir uns irgendwann irgendwo wieder,
      Julia & Martin

      • P&P

        Gerne, schicke ich euch Fotos. Lasst mir doch mal eure Email Adresse zukommen. Liebe Grüße P&P

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