Türkei – wir fahren nach Istanbul

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Vor der griechisch/ türkischen Grenze wartet eine lange Lkwschlange. Auf der Gegenfahrbahn ziehen wir flott daran vorbei zum geschlossenen Schlagbaum. Martin steigt aus und legt unsere Papiere beim Schalter vor. Die Pässe werden gescannt, dann öffnet sich die Schranke. Yassas Hellas, bis bald!

Durchs Niemandsland führt eine schlechte Strasse zum Grenzfluss Maritsa/ Meriç. An der Brücke stehen auf beiden Seiten schwer bewaffnete junge Soldaten. Wir rollen auf den Grenzübergang in die Türkei zu. Gewaltige, hohe Torbögen, die überdimensional großen Gebäude im maurischen Stil verfehlen ihre Wirkung nicht. Beeindruckend. Ich wage nicht zu fotografieren.

Erste Kontrolle der Papiere. Die Pässe werden gescannt. Ein paar Meter weiter zweite Kontrolle der Papiere. Hier dauert es etwas länger, denn Martin bekommt die Einfuhrnummern für die Fahrzeuge in den Pass gestempelt. Ein Beamter möchte die Wohnkabine inspizieren. Martin muss alle Schubladen öffnen. „Alcohol? Cigarettes?“ Nein, nix dabei. Die Honda Dax möchte niemand sehen.

Dritte Kontrolle der Papiere, es wird geschaut, ob alles eingetragen ist. „Motorbike?“ „Yes, Motorbike!“ Auch hier möchte niemand das Moped sehen. Es wird in den Pässen geblättert, anschließend: „Welcome to Turkey!“ Nach 36 Minuten sind wir durch die Grenze durch und in die Türkei eingereist.

Wir machen Bekanntschaft mit den großzügig 4-spurig ausgebauten Schnellstrassen des Landes. Schnurgerade durch die weite Landschaft, in top Zustand.

Zuerst nach Keshan. Dort kaufen wir Simcard und 20GB Internet für drei Monate für ca 18,-€. Der Gesang des Muezzin tönt durch die Stadt, seit ein paar Tagen ist Ramadan. Trotzdem bruzzeln an jeder Ecke Fleischspieße auf den Strassengrills, vor den Cafés sitzen Leute beim Tee. Vor jedem Geldautomaten lange Schlangen. In der Post wollen wir einen HGS-Aufkleber für die Autobahn holen, aber die Warteschlange ist scheinbar endlos. Den Aufkleber bekommen wir auch an Tankstellen. Die Stadt wirkt schäbig und ärmlich. Überall laufen und liegen wilde Hunde in jeder Größe und Form mit gelben oder grünen Ohrmarken. Noch ein paar türkische Lira eingewechselt, der Kurs steht bei 16,67 Tl für 1,-€. Die Rappelkiste haben wir bei einem kleinen Park abgestellt. Dort wieder zurück, kommen zwei junge Männer mit riesigen Säcken auf den Schultern vorbeigelaufen. Einer stürzt sich kopfüber in die große Mülltonne und wirft Plastikflaschen hinaus, die der andere in den Säcken verstaut. Kleiner Kulturschock.

Wir fahren raus aus der Stadt, zum tanken. Hierfür muß zuerst das Nummernschild bei der Zapfsäule eingetippt werden. Problematisch bei unserem H-Kennzeichen. Nach mehreren vergeblichen Versuchen tippt der Tankwart die Nummer eines dort parkenden Autos ein. Dann geht´s los. Fast 7000,- geben wir für „Motorin“ = Diesel aus, allerdings türkische Lira.

Der Liter kostet ca 1,28€ , das finden wir inzwischen traumhaft günstig! Alle Leute sind unglaublich freundlich und interessieren sich sehr für die Rappelkiste.

Weiter Richtung Istanbul.

 

Kühe, Hunde und Hühner auf dem Seitenstreifen, Esel oder magere kleine Pferdchen zuckeln mit Holzkarren voraus. Es geht hinab nach Tekirdag, ans Marmarameer.

Das Meer ein bleigraues Gewässer unter dickem Dunst. Große Kormorankolonnien dümpeln herum. Die Ortschaften wenig attraktiv. Über dem Wasser ein nikotingelber Streifen, später sehen wir, daß das der Qualm aus dem Kraftwerk ist.

Alle paar Kilometer eine Trafikkontrol, die Polizei kassiert hier Zuschnellfahrer ab und sie haben gut zu tun. Wieso fährt man zu schnell, wenn man weiß, daß alle paar Kilometer eine Geschwindigkeitskontrolle ist?

An eingezäunten und bewachten Wohnanlagen vorbei sausen wir auf der Schnellstrasse durch bis Sivrili, wo wir an der Strandpromenade halten.

Unsere einzigen Nachbarn sind ein paar Hühner und ein chinesisches Ehepaar aus Kanada, unterwegs auf Europatour in einem Wohnmobil mit bulgarischer Nummer. „You don´t need residence in Bulgaria to register a car“ erklärt uns der Mann. Man braucht keinen Wohnsitz in Bulgarien um dort ein Auto registrieren zu lassen. Während wir plaudern, bemerkt Martin eine kleine Pfütze unter der Rappelkiste. Er rutscht unters Auto. Irgendeine Flüssigkeit, schwer zu definieren, tropft auf die Spurstange. Nicht gut.

Der Muezzin singt zum Fastenbrechen, der Parkplatz hat sich mit Restaurantbesuchern gefüllt. Die Abendkälte treibt uns rein, unsere erste Nacht in der Türkei. Morgens, kurz nach 4, weckt uns wieder der Muezzin, daran werden wir uns jetzt gewöhnen.

3°C in der Früh, die Heizung lief die ganze Nacht. Um 9 Uhr liegt Martin im Blaumann unterm Lkw und sucht das Leck. Der Geschmackstest der Flüssigkeit führt zu keinem konkreten Ergebnis.

„Wir kippen!“ entscheidet er. Alles Gepäck aus dem Fahrerhaus muss raus.

Martin zieht Schrauben und Muttern nach, unser kanadischer Nachbar sieht aufmerksam zu.

So. Alles wieder verstaut und am Platz. Jetzt müssen wir erstmal fahren und sehen, ob das tröpfeln aufhört. Um 12Uhr30 sind wir startklar.

Ungefähr 50 Kilometer vor Istanbul sehen wir die Skyline der Trabantenstädte. Hochhäuser mit unzähligen Stockwerken, vernebelt von einer dichten Dunstglocke.

Der berüchtigte Verkehr ist relativ ruhig, wir kommen gut durch

Vorbei an einem kleinen Yachthafen und einem langgestreckten Uferpark am Marmarameer, nähern wir uns dem Zentrum von Istanbul. Große Pötte warten im Dunst vor der Bosporus Einfahrt.

Wir verpassen den Abzweig zu unserem Stellplatz. Mist! Noch eine Extrarunde, dann biegen wir ein auf den Yenikapi Parki am Sportplatz. Der junge Mann am Tor hält uns sein Telefon entgegen: „Herzlich Willkommen in Istanbul!“ steht da. Sehr freundlich! Der Platz ist ziemlich voll, er weist uns ganz vorne ein.

Kurze Pause, dann ziehen wir los auf eine erste Erkundungsrunde durch Yenikapi.

 

Altersschwache Häuser, bewohnt bis unters Dach, lehnen sich müde aneinander, nähme man eines heraus würden wohl alle umfallen wie Dominosteine. Auf der schmalen Fahrbahn drängeln sich Menschen aller Nationen, so scheint es, wuseln herum, gehen ihren Geschäften nach. Lautes Stimmengewirr. Waren werden mit Handkarren durch die Menge geschoben, gellende Pfiffe und Rufe machen den Weg frei. Kleine und kleinste Geschäfte mit seltsamen Auslagen, teilweise schmuddeliger Krimskrams. Auf dem Boden sitzen alte Frauen, vor sich ausgebreitet Dinge, die sie verkaufen möchten. Ausgetretene Schuhe, alte Lappen, angestoßenes Geschirr. Erstaunlich….wer kauft das?

Kinder, vielleicht 11/12 Jahre alt, ziehen die großen Müllsammelsäcke hinter sich her und durchsuchen die Tonnen. Ranzige Imbißstuben, für die man einen stabilen Magen braucht, mit Höckerchen davor. Männer sitzen beim Tee. Mitten durchs Gewusel hupen sich Autos den Weg frei, man muß schnell zur Seite springen, sich an die Wand drücken, um sein Leben zu retten. Unübersehbare Armut, aber die Leute lachen und plaudern fröhlich, gute Stimmung.

Das alles prasselt auf uns ein. Überwältigend.

Wir suchen nach ruhigeren Gassen und kommen durch die Metall- und Gürtelschnallenstrasse. Nur Geschäfte mit Metallbeschlägen, Ketten und Gürtelschnallen. Louis Vuitton-Embleme zum selbstaufnieten. Tür an Tür haben alle Läden beinah identische Auslagen. Danach laufen wir durch die Stoffestrasse, die Schuhstrasse und die Handtaschenstrasse –  so viele Handtaschen!! Die Perlen- Bänder- und die Schmuckstrasse.

An der breiten Hauptstrasse angekommen, stehen wir vor der Tourist Information.

Wir wollen uns einen Stadtplan holen. Während wir darauf warten, die Strasse überqueren zu können, spricht uns ein Mann auf deutsch an, aus Dortmund. Nach etwas smalltalk die Einladung in sein Geschäft zum Tee. Nein, danke, wir möchten nicht, wir möchten jetzt zur Touri Info. „Es ist gleich gegenüber, ich hole nur schnell meine Karte, ach, kommt schnell mit.“ Na gut. Und so schafft er es tatsächlich, uns in seinen Lederjackenladen zu schleppen. „Hier, setzt euch. Das ist mein Onkel. Er war Fußballer in Deutschland. Der „schwarze Bomber“ von den Stuttgarter Kickers.“ Wir sollen Jacken anprobieren, lehnen ab. „Früher der schwarze Bomber, heute nur noch der schwache Bomber“ scherzt der Onkel. Vielleicht doch eine Jacke? Nur mal anprobieren….Nein, danke! Für die Tochter? Die Freundin? Guter Preis? Möchtet ihr T-shirts? Souvenirs? „Nein, danke, wir kaufen nichts“ sagen wir. Der Bomberscherz kommt noch zwei Mal, wir lehnen erneut die Jacken ab. „Naja, wir haben es versucht….“ lenkt der Dortmunder ein. „Viel Spaß in Istanbul.“ Uff!

Zur Touri Info geht es durch einen schmalen Klamottenladen – „Hello! Nice Shirts!“ „Nein, danke, wir kaufen nichts“ – zwei ausgetretene Treppen hinauf. Jedes Stockwerk besteht aus einer Galerie rings um einen Innenhof, der durch staubgetrübte Oberlichter etwas erhellt wird. Stromkabel hängen kreuz und quer. Der junge Mitarbeiter stürzt sich voller Elan in unsere Beratung. Der ausgegebene Stadtplan von Istanbul bietet nur eine grobe Orientierung und ist bald von Kugelschreiberkreisen unkenntlich gemacht. Nach einer halben Stunde sind wir wieder draußen. Nochmal Uff!

Die blaue Moschee ist nicht weit, wir wandern durch ein schönes Viertel. Überall Moscheen, gigantisch große, glänzend und wie neu und uralte, winzig kleine, unscheinbare.

Auf einem Platz zwischen zwei großen Moscheen beginnen die Muezzine zu rufen. Alle Muezzine der Stadt fast gleichzeitig. Es müssen hunderte sein. Gebannt bleiben wir stehen und lauschen diesem Durcheinandergesang.

 

Wegen Bauarbeiten ist die blaue Moschee nur teilweise zugänglich. Ich habe kein Kopftuch, der Wachmann sagt, meine Baseballkappe reicht völlig. Okay, Schuhe aus, wir tragen sie in der Hand. In der Moschee müffelt es etwas nach Socken. Überall Stellwände, es wird gebetet. Hinter einer Trennwand die Frauen, vorne beim Imam die Männer, dazwischen die fotografierenden Touristen. Wir fühlen uns unwohl, fehl am Platz. Ich mache ein schnelles Bild von der Decke, aber das alles fühlt sich falsch an, wir stören die Andacht, denken wir und streben schnell wieder zum Ausgang.

Noch ein paar Aufnahmen von außen, aber die fangen die gewaltige Größe des Gebäudes nicht ein.

 

Gegenüber, nicht weit entfernt, befindet sich die Hagia Sofia.

Ein anstrengender Weg. Alle 5 Meter: „Hello! Come here! To my shop! See my carpets! Where are you from? Bonjour! Australia? American? Hallo, wie geht´s? Komm, einen Tee trinken! Hello, du brauchst einen Schal für die blaue Moschee! Hallo, sieh dir meine schönen Schals an! Need a guide for Hagia Sofia? Hallo! Hallo! Hallo!“

Das berühmte Gebäude steht etwas blass in der Sonne. In 30 Minuten wird geschlossen, wir wollen heute ohnehin nicht mehr rein. Alle machen Selfies, wir auch. Einmal umdrehen und noch eins von der blauen Moschee gegenüber.

Müde, uns reicht´s für heute. Richtung Marmarameer treten wir den Rückweg an.

Holzhäuser, wie in San Francisco, das überrascht uns. Wir schlendern weiter, beobachten fasziniert das allgegenwärtige Verkehrschaos und lauschen dem Hupkonzert.

Bunte Lampen locken uns in eine Seitenstrasse.

Ein Fehler. Wir befinden uns in der Restaurant- und Café Meile. „Hello! Come, have Tea! Hello! England? American? Australian? Come have beer! Hello! Wodka? Schnaps? Hello! Hungry? Come have food! Hello! You look tired! Come have drink!“

Nichts, wie weg hier!!

Bald sind wir wieder in Yenikapi, gehen durch die Einbahnstrassen mit Gegenverkehr. Hier, im Gewimmel, in dieser lebendigen, munteren Stimmung, fühlen wir uns mittlerweile sehr wohl. Nicht mehr weit bis zur Rappelkiste.

Eine Oase der Ruhe…..das Rauschen des Verkehrs und die Autohupen nur noch ein leichtes Hintergrundgeräusch….8 Kilometer sind wir heute gelaufen…..

( der erste Teil des Weges fehlt, erst später dran gedacht, Mapout anzuschalten… 😊)

Unter der Rappelkiste glänzt eine kleine Pfütze. Auf dem Fußballplatz uns gegenüber ein hitziges Spiel, Kamerun gegen Simbabwe, wie auf den Shirts zu lesen ist. Während die Sonne langsam untergeht, sitzen wir ganz entspannt vorm Lkw und schauen zu. Morgen stürzen wir uns wieder ins Getümmel….

Bis dann, liebe Grüße!

( wir haben fast keine selfies gemacht, also nehmen wir einfach dies hier nochmal…😉)

Julia & Martin

Drink positive!

Auf Instagram: Rappelkisteberlin

 

 

 

 

 

 

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