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Früh morgens starten Sylvia und Alfred ihren Muckel und wir unsere Rappelkiste. Wochenende! Es geht zum Shopping nach Guelmim. 140 km liegen vor uns, wir sausen auf der Teerstrasse dahin. Unser erster Halt ist in Bouziakarne, wo wir bei einem Strassenhändler frisches Gemüse und Obst kaufen. Während wir am Stand stehen, kommt ein Bettler und küßt Martin von hinten auf die Schulter! Was für ein Schreck! Vielleicht bringt das Glück, hoffen wir mal…
Nach zweieinhalb Stunden erreichen wir Guelmim, eine größere Stadt mit gesichtslosen Neubauten in extrem öder Gegend.
Direkt an der Hauptstrasse finden wir die Patisserie „Diamant bleu“ – blauer Diamant. Hier soll es die besten Kekse überhaupt geben, besonders die Gazellenhörnchen wurden uns von Brigitte sehr empfohlen. Die Auswahl ist jedenfalls grandios. Zwei große Vitrinen, jeweils gefüllt mit unzähligen Sorten Keks. Sie sehen aus wie Blümchen oder Muscheln, Schnecken, wie Kipferl oder wie gefüllte, kleine Tüten, Rauten, Würfel, manche haben ein rosa Herzchen drauf oder ein weißes Schleifchen, Marzipan, Schokolade oder bestreut mit feingehackten Nüssen, die Vielfalt und Variationen sind unbeschreiblich! Wir bestellen von jeder Sorte zwei Stück und kaufen so mehr als 1kg gemischte Kekse, inklusive Gazellenhörnchen. Ein Keksparadies, nur zu empfehlen! Glücklich tragen wir unsere Schätze zur Rappelkiste (leider waren die Kekse schneller aufgegessen, als wir sie fotografieren konnten……)
So, was steht als nächstes auf der Liste? Alkohol!
Wir müssen den „Whiskey-Juden finden“. Die Adresse kennen wir nicht, also durchfragen. Zuerst befragen wir ein paar junge Franzosen, doch die wissen von nichts. Ein junger Marokkaner weiß es auch nicht, hat aber noch ne halbe Flasche Wodka zuhause, erzählt er in sehr gutem englisch, wir sollen weiter rumfragen, irgendjemand weiß es bestimmt. Ein älterer Mann bleibt neben uns stehen. „ Aus Deutschland?“ fragt er. Er hat 13 Jahre in Kiel und Hamburg gearbeitet, spricht sehr gut deutsch. Ob er weiß, wo wir den „Whiskey-Juden“ finden können? Ja, natürlich, er bringt uns hin, wenn wir möchten. Und ob! Wir ziehen los in die Altstadt, durch eine Strasse mit vielen Geschäften, die Häuser klein und abgewohnt. Kleidung, Plastikwaren, Küchenutensilien usw, jegliche Alltagsware wird hier angeboten. Saba Mohammed erzählt unterwegs über Land und Leute, das ab fünf Uhr die Strassen sehr voll und lebendig werden, das warme Kleidung genauso gut ist gegen die Winterkälte wie gegen die Sommerhitze, das viele Leute aus dem Senegal legal in Marokko leben und arbeiten und so weiter. Wir biegen ab in eine schattige, schmale Gasse mit Gemüsehändlern, das Gemüse sieht staubig und verdurstet aus. Weiter, links, rechts, dann durch den Fleischersouk, ojeh, wir haben nur Glück, daß jetzt in der Mittagszeit fast alle Schlachterbuden geschlossen sind. Überall ist Blut auf dem Boden, es riecht streng, die Buden sehen abenteuerlich aus. Gedärme liegen rum und Schafschädel, aus denen die Augen quellen. Von Hygiene oder Kühlkette keine Spur, das ist nur etwas für Hartgesottene!
Noch weiter, wieder links, rechts, geradeaus, dann sagt Mohammed plötzlich: „Wir sind da!“ Wir stehen auf einem Platz, vor uns eine Reihe geschlossener Garagen. „Der Laden ist zu. Es ist Samstag.“ OH NO! So kurz vor dem Ziel! Er schaut sich um, ruft einen Mann herbei. „Macht nichts, wir gehen zum Schwarzmarkt, kommt mit!“ Wir folgen ihm und dem anderen Mann in eine kleine, menschenleere Sackgasse. Uns wird etwas mulmig. Was passiert jetzt? Vor einem Haus halten wir. „Was möchtet ihr? Bier, Wein, Whiskey?“ fragt Mohammed. Nur Bier. Der Typ verschwindet im Haus, kommt mit drei Sorten Bier zurück, wir sollen auswählen, welches wir möchten und wieviel. Am Anfang der Sackgasse tauchen drei junge Marokkaner auf, einer kommt in unsere Richtung, zwei bleiben vorne stehen. Oha…..jetzt wird´s spannend, was läuft da ab? Mohammed sieht unsere wachsamen Blicke und erklärt: „Die beiden da vorne wollen auch kaufen, aber sie müssen warten, bis wir fertig sind“. Achso…. Der dritte kommt zu uns, gibt uns die Hand und erzählt, auf arabisch. Mohammed übersetzt: „Er war gerade in Spanien, sie haben ihn wieder ausgewiesen. Schon zehnmal war er da, arbeitet immer dort, bis sie ihn erwischen und rauswerfen. Einmal war er ein halbes Jahr, mal nur drei Monate, dieses Mal nur fünf Tage.“ Der Typ, ein junger, höflicher Kerl, grinst breit, freut sich diebisch, daß er es schon so oft nach Spanien geschafft hat. Wie kommt der immer wieder durch die Passkontrolle? Es bleibt ein Geheimnis….
Wir bekommen unser Bier, der Preis ist okay, schnell, schnell, verpacken, wir fühlen uns wie kleine Kriminelle beim Kauf illegaler Substanzen, wie beim Drogenkauf. Ist ja auch so….Dann verabschieden wir uns, der junge Marokkaner zeigt uns seinen Respekt durch einen Handkuss mit Stirnauflegen. Wir schultern unser schweres Gepäck, Mohammed hilft tragen. Zurück schlägt er einen anderen Weg ein, führt uns kreuz und quer durch enge Gäßchen mit Gebrauchtwarenläden – „wie Flohmarkt“ sagt er.
Einmal um die Ecke, wir kommen an den düsteren Werkstätten der Kunstschmiede vorbei. Fasziniert sehen wir, mit welchen einfachen Mitteln verzierte Gitter hergestellt werden. Schweißen ohne Maske, Arbeitsschutz ein Fremdwort, marokkanischer Alltag.
Wieder bei den Lkw´s laden wir unser Schwarzmarktbier ab. Mohammed empfiehlt uns, Zigaretten zu kaufen. „ Eine Stange Zigaretten kostet 200 DH, ca 20,-€, dafür bekommt ihr beim Militär 80 Liter Diesel. Müßt ihr nur am Tor die Zigaretten zeigen und sagen, daß ihr Diesel wollt. Für Zigaretten bekommt ihr alles getauscht, das hilft euch…“ Aber der Gedanke ist uns zu fremd, wir lehnen dankend ab. Zusammen gehen wir Kaffee trinken, Mohammed ist eingeladen. Wir unterhalten uns: über die Preise von Dromedaren, 1000,-€ kostet ein Dromedar. „ Kauft man erst eins, dann hat man nächstes Jahr schon zwei, dann vier und so weiter, irgendwann ist man reich“. „Viel weniger Touristen dieses Jahr“ sagt er, vielleicht wegen der Morde im Dezember? Er erzählt, daß das marokkanische Fernsehen viel darüber berichtet hat, der König besorgt ist. Marokko ist ein Polizeistaat sagt er, überall Polizei in Zivil, das glaubt ihr gar nicht. Der König und der Geheimdienst wissen alles. Er findet das gut. Nicht gut findet er, daß Deutschland so viele Marokkaner ausgewiesen hat, wir wechseln bald das Thema, denn über Politik brauchen wir nicht zu diskutieren. Sein Ältester lernt auch deutsch „ Das ist wichtig, das wird ihm nützen“, sagt Mohammed. Es macht Freude, sich mit ihm zu unterhalten. Zum Schluss fragen wir ihn, ob wir ihm etwas für seine Hilfe geben können: „Nur, wenn ihr wollt, ich habe euch gerne geholfen“ sagt er. Wir verabschieden uns und bedanken uns mit einem kleinen Geschenk, er war kein bißchen aufdringlich, das wissen wir inzwischen sehr zu schätzen. Ohne ihn hätten wir den sehenswerten Altstadtbummel nicht gemacht und erst recht kein Bier bekommen. Eine interessante, freundliche, schöne Begegnung. Auf seinem Moped begleitet er unsere Lkws noch ein Stück des Weges, dann winkt er zum Abschied. Wir zwängen uns durch eine Umleitung weiter zum Marjane Supermarkt denn wir sind noch nicht fertig mit einkaufen.
Am Marjane parken überraschend viele Wohnmobile und Offroad-Lkws auf einem staubigen Platz. Einige zumindest für diese Nacht, andere anscheinend schon länger. Ein starker Wind hat eingesetzt und wirbelt den Sand durch die Luft, fast ein kleiner Sandsturm. Die Sicht ist eingeschränkt, wie trockener Nebel.
Im Supermarkt laden wir die Einkaufswagen voll. Käse, Cola, Milch, Toblerone, Tomatenmark, Thunfischdosen, lang entbehrte Köstlichkeiten. Ein Schlaraffenland mit einem Haken, denn die arabische Musik ist ohrenbetäubend laut und jagd uns schneller als gedacht wieder nach draußen.
Beim Verladen in die Rappelkiste kommen wir mit Tilo und Kerstin ins Gespräch. Ihnen gehört der graue Mercedes Allrad da hinten. Schnell kommen wir aufs Thema Alkoholeinkauf – da können wir helfen! Per App sendet Martin den Standort vom „Whiskey-Juden“ an Tilo, vertippt sich allerdings und macht aus Tilo – Tolo! Auch in Ordnung, findet der.
Wir treffen die beiden Sylter Feuerwehrfahrer wieder, Claudia und Uwe, mit denen wir vor ein paar Wochen in Legzira zusammen gestanden haben. Sylvia und Alfred kennen die beiden auch, haben sich hier auf einen Plausch verabredet. Bis halb sechs verplaudern wir die Zeit, dann verabschieden wir uns. Jetzt aber los, wir wollen hier nicht übernachten. Wellness steht noch auf dem Wochenendprogramm!
Es geht nach Fask. Ein Bad in einer heißen Quelle erwartet uns! Vor Fask geht es rechts ab auf eine rumpelige Staubpiste. Fast eine Stunde brauchen wir für die 15 Kilometer bis zur heißen Quelle. Kurz vor der Dämmerung kommen wir an, ca zehn Wohnmobile stehen schon da.
Aus einem dicken Rohr sprudelt dampfendes Wasser in kleine Pools. Zum baden ist es uns zu spät, morgen ist ja auch noch ein Tag. Stattdessen genehmigen wir uns ein schönes Bier, es könnten auch mehr gewesen sein und sitzen warm angezogen im Windschatten der Lkws zusammen noch ein Weilchen draussen.
Morgens liegt dichter Dunst über der Ebene, verschluckt nahezu völlig die großen Berge.
Wir tauchen in den einladend dampfenden Pool. Bis auf eine kleine Familie mit zwei Kindern schläft alles noch, wir haben die Pools für uns allein. Eine herrlich warme Badewanne, wie lange ist das her? Es riecht leicht schwefelig und ist, offen gestanden, etwas schlammig, aber trotzdem wunderbar! Lange liegen wir ganz entspannt im Wasser, ein Sonntagmorgen nach unserem Geschmack.
Irgendwann müssen wir dann doch raus, genau zum richtigen Zeitpunkt, denn marokkanische Familien kommen an und bevölkern die Becken. Natürlich nur Jungs und Männer, Mädchen und Frauen bleiben draussen stehen und bereiten das Essen vor.
Wir verstauen unsere Einkäufe von gestern pistensicher, packen in Ruhe zusammen.
Nochmal ein Bad später wäre nicht schlecht, aber wir sind verabredet: Brigitte und Wolfgang warten auf Gazellenhörnchen und Butter! Also los, gegen 14 Uhr sind wir startklar für die Fahrt nach Akka, wo wir die beiden wieder treffen werden.
Über eine Piste wollen wir abkürzen, nach einigen Kilometern bleiben wir bei einer zauberhaften von Palmen gesäumten Schlucht stehen. Unten läuft Wasser über Felstreppen in kleine Badebecken, ein verwunschener Ort. Wie wär´s zur Abwechslung mit einem kühlen Bad?
Alfred und Martin gehen die weitere Piste ab, sie windet sich um einen Berg und sieht fast zu schmal aus. So ist es auch, der Unimog käme durch, für uns wäre es riskant. Also umdrehen, zurück. Wir nehmen die Teerstrasse und fahren durch ein wunderschönes Tal über Taghjijt zurück bis fast nach Icht. Es dämmert, bis zum Treffpunkt bei Akka schaffen wir es heute nicht mehr, deshalb übernachten wir nochmal beim schönen Staudammplatz von letzter Woche.
Ein perfekter Wochenendausflug mit Sport, Spiel und Spannung liegt hinter uns. Kühlschrank und Vorratskisten sind gefüllt, wir sind bereit für weitere Pistenabenteuer.
Bis bald,
liebe Grüße Julia & Martin
Drink positive!
Marz wolfgang
Hab den Bericht mit Aufmerksamkeit gelesen.Wenn man so etwas nicht selber erlebt kann man diese Erlebnisse nur erahnen.Habe schon viel über Wüsten und auch Wüstenfahrten gesehen und gehört.Es muss ein einmaliges Erlebnis sein,denn unter Wüste stellt man sich nur viel Sand aber nicht herrliche Gegende mit Bergen und auch mit Wasserbecken vor.
Ich wünsche Euch weitere schöne Fahrten und Abenteuer mit eurer Rappelkiste.
Ich das sind die Leute mit denen ihr am 28.3.19 auf dem Markt in Roquetas geprochen habt.(79 Jahre)
rappelkiste
Na, das ist ´ne Überraschung: die kölschen Jecken!Freut uns von euch zu hören,liebe Grüße Julia Martin
Brigitte
Na ich hab’s ja gewusst. Diese 140 km einfach, die sparen wir uns. Haben so auch alles miterlebt, weil’s so lebendig beschrieben ist😊